Woran denken Personaler bei dem Begriff „Gesundheitswesen“ wohl als erstes? Die Vermutung liegt nahe, dass Personalmangel, Fluktuation, Mitarbeiterschwund oder Engpassberufe in dem Fall zu den häufigsten Assoziationen gehört, denn die Personalsituation vieler Kliniken, Praxen oder Pflegeeinrichtungen ist angespannt. Das liegt zum einen am enorm steigenden Mitarbeiterbedarf: Das Gesundheitswesen ist eine der größten Wachstumsbranchen auf dem Arbeitsmarkt. Zwischen 2009 und 2014 wuchs die Zahl der Beschäftigten um 476.000 Personen (10 Prozent). Eine Entspannung wird auch in den kommenden Jahren nicht erwartet.
Fluktuation erhöht den Druck auf die Mitarbeiter
Gleichzeitig klagt die Branche über akuten Fachkräftemangel und eine hohe Fluktuation. Es scheint, wertvolle Fachkräfte können nicht über längere Zeit motiviert und im Unternehmen gehalten werden. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Vor allem kleinere Unternehmen sind schnell in einem Teufelskreislauf gefangen: Unbesetzte Stellen verschärfen die ohnehin hohe Arbeitsbelastung der Mitarbeiter. Die Folge sind Adhoc-Einstellungen ohne ausreichende Einarbeitung. Neue Mitarbeiter werden ins kalte Wasser geworfen und können den Erwartungen, die an sie gestellt werden, oft nicht gerecht werden. Das führt zu Frust auf beiden Seiten und trägt kaum zur Motivationssteigerung bei.
Personalflucht aus Kliniken
Doch auch in großen Kliniken herrscht Mitarbeiterfrust bis hin zur Personalflucht. Grund sind nicht selten Verständigungsgräben zwischen Geschäftsführung und Belegschaft. Die einen verteidigen im Sinne der Wirtschaftlichkeit radikale Sparmaßnahmen – auch im Personalmanagement. Denn anders als ein Unternehmen kann eine Klinik nicht die Preise erhöhen, wenn die Ausgaben steigen. Die Mitarbeiter hingegen fühlen sich in strategische Entscheidungen nicht einbezogen. Sie werden als Profitcenter wahrgenommen, ihre Expertise bleibt außen vor, es mangelt an Wertschätzung. In dieser vorwurfsvollen Arbeitsatmosphäre kann keine Unternehmenskultur gedeihen, die neue Fachkräfte anlockt.
Egal ob kleine Praxis oder große Klinik – mittel- und langfristig wird die Unzufriedenheit auch die Patienten erreichen, die sich dann nach Alternativen umschauen und damit die Situation weiter verschärfen.
Maßnahmen für eine bessere Mitarbeiterbindung
Die Personalverantwortlichen im Gesundheitswesen stehen also vor großen Herausforderungen, um die Arbeitssituation zu entspannen. Mit weiteren Adhoc-Einstellungen, schnellen Auswahlverfahren und kurzen Einlernphasen kann das Problem dauerhaft nicht gelöst werden. Mitarbeiterbindung ist der Schlüssel, um erfahrene und kompetente Kräfte auch in schwierigen Zeiten zu halten. Und die beginnt mit der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages.
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Gründliche Vorarbeit verhindert falsche Erwartungshaltung
Ein detailliertes Stellen- und Anforderungsprofil hilft nicht nur, geeignete Kandidaten zu rekrutieren. Es beseitigt auch Unklarheiten beim bestehenden Personal, wie und wo der neue Mitarbeiter einzusetzen ist. Dadurch kommt es zu keinen „falschen Erwartungen“, die eine Kündigung noch während der Probezeit zur Folge haben könnten.
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Onboarding & Einarbeitung
Je mehr Zeit Mitarbeiter und Vorgesetzte in die Einarbeitung neuer Mitarbeiter investieren, umso schneller und wirksamer wird die gewünschte Entlastung eintreten. Diese Einstellung muss in den Köpfen verankert werden, um dem Onboarding-Prozess im intensiven Arbeitsalltag eine neue Priorität zu geben. Individuelle Einarbeitungspläne für jeden neuen Mitarbeiter erleichtern den Prozess. Integration und Teambildung werden vom ersten Tag an forciert.
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Potenziale erkennen & Perspektiven bieten
Arbeitgeber müssen in der Lage sein, den Mitarbeitern Perspektiven zu bieten. Aufgabe der Personalverantwortlichen ist es, Potenziale zu erkennen und individuell zu fördern. Eine Potenzialanalyse kann helfen, die richtigen Maßnahmen zu finden und Mitarbeiter optimal einzusetzen. Dabei werden Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft beurteilt. Ein Mitarbeiter, der Leistungen erbringen kann aber nicht will, muss anders motiviert werden, als Mitarbeiter, die wollen, aber fachliche Defizite haben. Treffen Wille und Können aufeinander, können inhaltliche Anreize wie Schulungen oder verantwortungsvollere Aufgaben den Mitarbeiter dauerhaft motivieren.
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Beständige Motivation und hoher Identifikationsgrad
Eine dauerhafte Mitarbeitermotivation und die Identifikation mit dem Arbeitgeber tragen maßgeblich zur Mitarbeiterbindung bei. Dafür sind aber die Wertschätzung eines jeden Einzelnen, ein respektvoller Umgang sowie eine transparente Kommunikation erforderlich. Personaler müssen in regelmäßigen Gesprächen erfragen, wie die Mitarbeiter arbeiten wollen. Oft sind es nämlich nicht unbedingt hohe Gehälter und Top-Positionen, die motivieren. Individuelle Lösungen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Ausgleich von Überstunden und eine angenehme Arbeitsumgebung erleichtern vor allem den überdurchschnittlich vielen Frauen im Gesundheitswesen die Arbeit.
Investitionen in die Mitarbeiterbindung wirken direkt auf das Employer Branding. Positive Impulse auf die Arbeitgebermarke kann im Gesundheitswesen, das mit einem schlechten Image hinsichtlich seiner Arbeitsbedingungen kämpft, jedes Unternehmen gebrauchen. Die Folge: mehr interessierte Bewerber, Entlastung der Mitarbeiter, zufriedene Patienten – und schon dreht sich die Spirale nach oben.
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