Veröffentlicht von CareerBuilder Germany am 16 September 2014
Themen: Arbeitsalltag - Mitarbeiterführung - Kommunikation | Keine Kommentare

Distance Leadership: Erfolgreich ein virtuelles Team führen

Führungsaufgaben sind längst nicht mehr räumlich begrenzt. Das Leiten von virtuellen Teams setzt sich immer mehr durch, nicht zuletzt weil sich Unternehmen davon eine Zeit- und Kostenersparnis versprechen. Doch um ein Team über die Distanz hinweg erfolgreich und effizient zu führen, bedarf es mehr als Live-Meetings und Telefonkonferenzen…

Das waren noch Zeiten: Julian, Dick, Anne, George und Timmy, der Hund – „Fünf Freunde“, ein unschlagbares Team. Keine Herausforderung war den fünf Freunden zu schwer und kein Bösewicht stärker als ihr Zusammenhalt. Man griff sich gegenseitig unter die Arme, reichte sich die Hände, klopfte sich auf die Schultern - buchstäblich. Das war Teamwork! Heute sieht Teamarbeit im Unternehmen meist anders aus. Vor allem dort, wo der globale Zeitgeist weht. Aus fünf Freunden werden nicht selten 25 oder mehr Kollegen aus aller Herren Länder, die sich nicht auf der Felseninsel, sondern im Live-Meeting treffen. Virtuelle Zusammenarbeit anstelle von gemeinsamen Sommerabenteuern - Wieviel Teamgeist bleibt dabei noch übrig?

Distanz bremst das Wir-Gefühl aus

Julian, der Älteste der Fünf Freunde, hatte es als Anführer verhältnismäßig leicht: er kannte sein Team in- und auswendig, wusste um die Stärken und Schwächen eines jeden Einzelnen und konnte bei Bedarf verlässlich eingreifen. Niemand stellte seine Führungsrolle in Frage. Ein Distance Leader, der die Führung eines virtuellen Teams übernimmt, hat es da ungleich schwerer. Der Grund, warum viele dieser Teams scheitern, ist die Distanz selbst. Und zwar nicht nur die räumliche, sondern auch die subjektiv wahrgenommene Distanz. Status, Rang, Autorität, kulturelle Unterschiede, verschiedene Arbeitsweisen sowie die Tatsache, dass man die Kollegen an den anderen Standorten kaum wirklich kennt, bremsen das notwendige Wir-Gefühl oftmals aus.

Vertrauen und optimale Vorbereitung sind Schlüssel für den Erfolg

Hinzu kommt, dass die Distanz die Unmittelbarkeit der Kommunikation einschränkt. In einem virtuellen Team lassen sich Verhalten und Reaktionen der anderen nicht direkt beobachten. Emotionen sind schwerer erkennbar. Unsere hochentwickelte Kommunikationstechnologie ist zwar in der Lage, Informationen innerhalb weniger Sekunden zuverlässig auf dem Globus zu verteilen. Zwischen den Zeilen lässt sie aber auch Raum für Missverständnisse und begünstigt so Konflikte. Um die Distanz erfolgreich zu managen, muss der Distance Leader Wege finden, um Stimmungen (vor allem VERstimmungen) rechtzeitig zu erkennen und zu benennen. Für eine solchermaßen offene Kommunikation braucht es Vertrauen. Vertrauen in das Team, Vertrauen in das gemeinsame Projekt und Vertrauen in die Teamführung. In der Regel entsteht Vertrauen mit der Zeit. Je länger und je besser man sich kennt, umso mehr wächst das Vertrauen. Doch diese Zeit hat der Distance Leader meist nicht. Das Team soll besser gestern als heute funktionieren und morgen erste Erfolge vorweisen.

Dass die aus Zeit- und Kostengründen eingesparte Teamvorbereitung das Unternehmen später doppelt so teuer zu stehen kommt, ist vielen noch immer nicht bewusst. Ein gemeinsamer E-Mail-Verteiler und eine wöchentliche Telefonkonferenz macht aus global verstreuten Mitarbeitern eben noch lange kein Team. Fehlende Regeln, unklare Aufgaben und Zuständigkeiten sowie mangelnde Identifikation verurteilen das Projekt bald zum Scheitern. Bekommt der Distance Leader jedoch die Chance, das Team auf seine Aufgabe optimal vorzubereiten, kann die virtuelle Zusammenarbeit sehr erfolgreich sein. Denn auf diese Weise lässt sich das Know-How verschiedener Unternehmensstandorte und Kulturen bündeln und zielgerichtet einsetzen.

Kein virtuelles Team ohne reales Kick-Off

Die wichtigste Teamentwicklungsmaßnahme und Voraussetzung für eine erfolgreiche virtuelle Zusammenarbeit ist das Kick-off-Meeting. Hier haben die Teammitglieder die Möglichkeit, sich persönlich kennenzulernen – eine wichtige Grundlage, um Vertrauen aufzubauen. Es werden gemeinsam Regeln für die Zusammenarbeit festgelegt: z.B. Wann, wie oft und über welche Kanäle kommuniziert das Team?; Wie wird der Informationsfluss sichergestellt, wo werden Dokumente abgelegt?; Wie werden Entscheidungen getroffen?; Wie wird Feedback gegeben, bzw. Kritik formuliert? Ziel des Kick-Off ist es aber auch, den Teamauftrag klar zu definieren, Rollen und Aufgaben der einzelnen Teammitglieder abzugrenzen und erste wichtige Deadlines zu setzen.

Das muss ein Distance Leader können

Der Distance Leader übernimmt die Organisation und Moderation des Kick-Off und hat dadurch die Möglichkeit, die positive Einstellung des Teams hinsichtlich der gemeinsamen Aufgabe und der Zusammenarbeit zu fördern. Doch dabei bleibt es nicht. Nach dem Kick-Off muss er die Distanz dauerhaft managen und das Vertrauen weiter aufbauen. Er muss sein Team auf Distanz motivieren und weiterentwickeln. Er muss die Arbeit im virtuellen Raum strukturieren, die Mitarbeiter nach ihren Fähigkeiten einsetzen und fördern, trotz kultureller Unterschiede effizient und klar kommunizieren und Diversity realisieren, das heißt die soziale und kulturelle Vielfalt des virtuellen Teams konstruktiv nutzen.

Im Rahmen eines Forschungsprojektes zum Thema Distance Leadership der Universität Lüneburg wurden folgende Grundvoraussetzungen einer virtuellen Führungskraft ermittelt:

  • Niedriges Kontrollbedürfnis bzw. hohe Vertrauensbereitschaft,
  • partizipative Orientierung, Mitarbeiter beteiligen,
  • sensibel sein, Bedürfnisse erkennen - auch ohne Face-to-Face-Kontakte,
  • technische Kompetenz sowie Medienkompetenz,
  • motivierende Vision und klare Zielsetzungen,
  • konstruktives Feedback geben – auch auf Distanz,
  • Offenheit gegenüber unterschiedlicher Kulturen.

Führen auf Distanz – eine Gratwanderung

Nicht jeder ist also geeignet, ein virtuelles Team zu führen. Hierfür bedarf es neben den klassischen Führungskompetenzen sehr viel Fingerspitzengefühl. Distance Leadership ist eine Gratwanderung: Strukturen müssen vorgegeben und die Einhaltung der Regeln überprüft werden. Gleichzeitig muss der Distance Leader Vertrauen in das eigenständige Arbeiten der Teammitglieder zeigen und sie an Entscheidungsprozessen beteiligen. Er muss sensibel genug sein, um Konflikte frühzeitig zu erkennen und das nötige Durchsetzungsvermögen zeigen, um auch über die Distanz hinweg für eine reibungslose Zusammenarbeit zu sorgen. Wenn das gelingt, hat das Team allen Grund, sich beim nächsten Treffen auf die Schultern zu klopfen - buchstäblich.

 

Quelle: Copyright © 2005, Forschungsprojekt Distance Leadership - Universität Lüneburg – Prof. Dr. Sabine Remdisch

Bildquelle: © apops - Fotolia.com

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