Veröffentlicht von CareerBuilder Germany am 11 September 2015
Themen: Arbeitsrecht - Kandidatenansprache - Stellenanzeigen | Keine Kommentare

Fotolia_AGG_Teil2_Credit_auremar-1Ein Interview mit Arbeitsrechtsexpertin Katharina Schumann 

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll Arbeitnehmer vor „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ schützen. Doch was bedeutet dies für Arbeitgeber und Personaler im Recruiting genau? Was gibt es bei Stellenausschreibungen zu beachten und wann können unbedachte Äußerungen gegenüber Bewerbern teuer werden? Wir haben mit der Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Frau Katharina Schumann aus der Kanzlei Lehner und Kollegen in München gesprochen.

icon_question_150pxEin Bewerber behauptet, von einem Recruiter im Bewerbungsprozess diskriminiert worden zu sein. Wie sollte ich als Arbeitgeber auf Klageandrohungen reagieren und welche Rechte habe ich?

Der Vorwurf der Diskriminierung bei Einstellungsprozessen steht schnell mal im Raum. Dann ist es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren. Zunächst sollte geprüft werden, ob die Unterlagen aus dem Recruitingprozess vollständig sind, also liegen die Stellenausschreibung, die Bewerbung, ggf. Notizen zum Vorstellungsgespräch und die Absage vor?

Für die Geltendmachung von Ansprüchen wie Schadensersatz und Entschädigung nach dem AGG gegenüber dem (potentiellen) Arbeitgeber muss der Bewerber eine Frist von 2 Monaten ab der Ablehnung bzw. dem Zeitpunkt, in dem er von der Benachteiligung Kenntnis erlangt, einhalten. Darüber hinaus muss der Bewerber die Ansprüche schriftlich geltend machen. Die Einhaltung dieser Formalkriterien sollten Sie zuerst prüfen und den Anspruch ablehnen, wenn dies nicht der Fall ist.

Droht der Arbeitnehmer dann mit einer Klage, sollten Sie einen erfahrenen Arbeitsrechtsanwalt einschalten. Auch hier ist wieder zu prüfen, ob der Bewerber die Frist zur Klage eingehalten hat. Diese beträgt nämlich nur 3 Monate ab Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs.

Sodann ist zu prüfen, ob sich der Bewerber ernsthaft beworben hat oder ob es sich um einen sog. „AGG-Hopper“ handelt, der sich nur auf diskriminierungskritische Stellenanzeigen bewirbt, um bei einer Absage eine Entschädigung wegen angeblicher Benachteiligung geltend zu machen. Indizien für eine nicht ernst gemeinte Bewerbung können die offensichtliche und objektiv bestehende Ungeeignetheit des Bewerbers oder eine Mehrzahl von Bewerbungen auf verschiedenartige Stellenanzeigen sein.

Da Indizien für eine Benachteiligung schon die Stellenanzeige und die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch sein können, ist spätestens jetzt prüfen, ob die Stellenbeschreibung wirklich den objektiven Anforderungen an die zu besetzende Stelle entspricht und die Argumentation vorbereiten, warum gewisse Anforderungen aus der Beschreibungen der Stellenanzeige erforderlich für die Stelle sind.

Sollte ein Bewerber die angebliche Diskriminierung wegen seiner Behinderung geltend machen, ist zu prüfen, ob die Behinderung überhaupt in der Bewerbung angegeben war. Eine Benachteiligung kann schließlich nicht "wegen" einer Behinderung erfolgen, wenn dem Arbeitgeber die Behinderung schon gar nicht bekannt ist. Von außen kommende Bewerber haben den Arbeitgeber über die (Schwer-)behinderteneigenschaft grundsätzlich im Bewerbungsschreiben selbst zu informieren und bei einer Schwerbehinderung i.S.d. SGB IX ist der Grad der Behinderung und ggf. eine Gleichstellung mitzuteilen. Ist dies nicht geschehen, kann auch keine Benachteiligung/ Diskriminierung vorliegen. Ausnahmsweise soll die Information auch im Lebenslauf gegeben werden können, jedoch muss dies deutlich und an hervorgehobener Stelle geschehen und der Lebenslauf ausdrücklich zum Bestandteil des Bewerbungsschreibens erklärt worden sein.

icon_question_150pxWas kann ich vorab tun, um mögliche Konfrontationen im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ansprüchen nach dem AGG und etwaige Klagen zu vermeiden bzw. abzuwenden?

Generell gilt, dass Stellenausschreibungen – sei es in den Printmedien, sei es in Onlineportalen oder auf der eigene Homepage – neutral wie möglich zu halten sind, insbesondere was das Alter, das Geschlecht und die die Nationalität/ ethnische Herkunft des adressierten Bewerbers angeht. Also stets den Klammerzusatz (m/w) oder die männliche und weibliche Form der Berufsbezeichnung verwenden. Die erforderliche Berufserfahrung sollte nur angeben werden, wenn sie für die zu besetzende Stelle wirklich essentiell und sachlich begründet ist. Bei Sprachenkenntnissen immer darauf achten, dass diese zur ausgeschriebenen Stelle passen und ebenfalls dafür erforderlich sind. Es ist jedenfalls ratsam, die Stelle an sich und deren Anforderungen zu beschreiben und dies nicht in die Anforderungen an den Bewerber zu verpacken.

Da die unterbliebene Einladung eines schwerbehinderten Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch und die nicht erfolgte Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrates eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen können, sollten Arbeitgeber und Recruiter beim Eingang von Bewerbungen Behinderter/ Schwerbehinderter bzw. Gleichgestellter besonders sorgfältig sein. Bestehen im Unternehmen die Gremien Schwerbehindertenvertretung und/oder Betriebsrat bzw. Personalrat sollte der Prozess so organisiert sein, dass direkt nach Eingang einer solchen Bewerbung automatisch die Schwerbehindertenvertretung und/oder der Betriebsrat bzw. Personalrat unterrichtet werden. Die Unterrichtung sollte aus Beweiszwecken schriftlich erfolgen und dokumentiert werden.

 

Lesen Sie im ersten Teil unseres Artikels, worauf Arbeitgeber bei der Stellenanzeige und im Vorstellungsgespräch verzichten sollten, um das AGG nicht zu verletzen.

 

Weitere Informationen: www.lehner-kollegen.de

Bildquelle: © auremar - Fotolia.com

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