Veröffentlicht von CareerBuilder Germany am 19 August 2016
Themen: Arbeitsalltag - Mitarbeiterführung - Gastbeiträge | Keine Kommentare

Das Zusammenspiel von Führung und Moral – Warum wir mehr Selbstreflektion und Authentizität brauchenEin Gastbeitrag von Gustav Hollnagel

„Management is doing things right – Leadership is doing the right things.“ – P. Drucker
Die Komplexität am Arbeitsplatz nimmt zu, für Führungskräfte gleichwohl wie für alle Mitarbeiter, die somit höheren Anforderungen und Belastungen gegenüber stehen. Mehr Emails, mehr Termine, mehr Planung, dafür weniger Klarheit, weniger private Verwirklichung, weniger Gestaltungsspielraum. Es ist Zeit, umzudenken.

Das Bedürfnis der Arbeit nehmenden Bevölkerung nach Transparenz und Mitgestaltung steigt. Viele haben das Gefühl „auf der Strecke zu bleiben“ (vgl. Studie „Wertewelten 4.0“), während sich um einen herum mutmaßlich so viel verändert oder auch „digital transformiert“. Man muss doch an sich denken, aber auch an die anderen – aber vielmehr noch an die eigene Zukunft, und wie man dahin kommt? Im Zuge dieser gedanklichen Kette wird es zunehmend schwieriger zu wissen, was moralisch vertretbar oder erwünscht ist, und was nicht.

Dabei glauben über 80% der Befragten aus der „MoRAL-Studie“ (RAL-Institut, 2014), dass moralisches Handeln mit Anerkennung und Wertschätzung verbunden ist. Also ein zusätzlicher Motivator, sich am Arbeitsplatz fair und rechtmäßig zu verhalten? Unklar, denn es raubt auch Energie, stets moralisch zu Denken und zu Handeln – es sei denn, es geschieht automatisch, unterbewusst, aus pragmatischer Überzeugung.

Authentizität fördert moralisches Handeln von Mitarbeitern

Eine Möglichkeit, moralische Handlungsbereitschaft zu fördern, ist authentischer Umgang zwischen Vorgesetzten und ihren Mitarbeitern. Viele Leser mögen nun umgehend fragen, was denn diesen authentischen Umgang ausmacht? Das nimmt doch jeder unterschiedlich wahr, oder? In der Tat – nur lohnt es sich, auch einmal zu hinterfragen, welche konkrete Art von Authentizität denn heutzutage, oder auch in Zukunft, gebraucht wird. Es ist Zeit, mitzudenken.

Authentizität, oder authentischer Umgang, sollte nicht im Sinne von "ich bin ich, und so verhalte ich mich" verstanden werden. Es geht vielmehr um ein beständiges, reflektiertes Auftreten und den Willen, mit eigenen Schwächen souverän umzugehen, während ein diskursfähiger Dialog mit Kollegen und Mitarbeitern angestrebt wird. Diese Definition ist angelehnt an aktuelle wissenschaftliche Forschungen auf dem Gebiet „Führung und Ethik“.

Moralisches Verhalten in der Unternehmenskultur verankern

Diverse Studien aus der Psychologie und Verhaltensökonomik zeigen, dass moralisches Verhalten vor allem in gleichgesinnten Gruppen auftritt – ein moralisches Werteverständnis sollte also Teil der erlebten Unternehmens- und Teamkultur sein. Zumal belegt wurde, dass authentischer und rückmeldeorientierter Umgang mit Mitarbeitern nicht nur moralisches Handeln begünstigt, sondern auch zu höherer Arbeitgeberbindung, Zufriedenheit und Leistung führt (Walumbwa et al., 2011).

Mitarbeiter, die im Sinne der genannten Definition authentisch geführt werden, lernen vermutlich eher, wie sie sich selbst so organisieren können, dass ihr psychologisches Kapital steigt. Dieses beinhaltet bspw. konstruktives Denken, psychische Belastbarkeit und Selbstwirksamkeit (vgl. Zamahani et al, 2011). Gleichzeitig erlangen Geführte mehr Vertrauen zu ihrer Führungskraft. Und wenn diese sowohl einen „moralischen Kompass“ besitzt und ein entsprechendes Wertebild vorleben kann, dann ist auch die Entstehung einer Kultur denkbar, die das Zusammenspiel von Transparenz, Verantwortung, Selbstorganisation und Vertrauen auf lange Sicht ermöglicht. Es ist Zeit, nachzudenken.

Gegenseitiges Vertrauen durch Transparenz und Offenheit

Für die langfristige Aufrechterhaltung der soeben umschriebenen Arbeitskultur ist es aber ebenso wichtig, gegenseitiges Vertrauen nachhaltig zu fördern. Dies geschieht durch themensensibles transparentes Auftreten und den richtigen Umgang mit Verantwortung (klar, es gibt immer auch Sachverhalte, wo Transparenz aus verschiedenen Gründen nicht zielführend ist). Soll heißen, nur wer Mitarbeiter befähigt, ihre Kompetenzen und auch Meinungen in aktuelle Geschehnisse einfließen zu lassen, wird auch deren tiefergehendes Vertrauen erlangen. Natürlich sollte die Möglichkeit zur Mitgestaltung keine Verpflichtung darstellen. (Erwerbstätige) Menschen haben auch immer unterschiedliche Bedürfnisse.

Moralisches Verhalten wird also nicht vordergründig, oder sagen wir, bestenfalls unvollständig durch Vorschriften oder Vorgaben gefördert. Die ethische Selbstreflektion der Mitarbeiter ist entscheidend. Denn diese muss sich im Unternehmensalltag auch in wirksame Handlungsbereitschaft übersetzen lassen und Zuspruch im gemeinsamen Umgang finden. Beispielsweise wenn man Zeuge von Mobbing am Arbeitsplatz wird und, sowohl beim Chef als auch bei anderen institutionellen Anlaufstellen, Gehör und Unterstützung findet. Oder wenn ein offenkundiger Einspruch beim Verletzen der Arbeitszeitbestimmungen zu negativer Leistungsbeurteilung u.a. führt.

Die Praxis: Kaum Energie für wichtige Führungsaufgaben übrig

Gleichermaßen wird in aktuellen Befragungen aus der Wirtschaft deutlich (und das muss man leider sagen): Führungskräfte haben zu wenig Zeit für Führungsaufgaben (79%) und bezeichnen vor allem den Umgang mit immer komplexeren Arbeitswelten (54%) und die Wahrung von Glaubwürdigkeit (39%) als unzureichend angegangene Herausforderungen (HAYS HR-Report, 2014/15). Ergo, auch Vorgesetzte handeln sicher nicht immer „bewusst richtig oder moralisch klug“. Auch sie brauchen Befähigung durch ihre Mitarbeiter.

Authentischer Umgang zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern ist sicher nicht das Allheilmittel für aktuelle Herausforderungen in der Führungspraxis. Aber es stellt eine vitale Komponente für eine vertrauensförderliche Arbeitskultur dar, indem Mitarbeitern auf allen Ebenen die Möglichkeit geboten wird, ihr eigenes Handeln und Denken offen zu hinterfragen. Und was ist am Ende zielführender bzw. moralischer: a) Eine begründbare, reflektierte und konstruktive Haltung gegenüber den aktuellen Anforderungen an unsere Arbeit? Oder b) eher das zurückgezogene, selbstbedachte und kollektiv unbemerkte, von Emails überflutete Schaffen in einer zweckgetriebenen Arbeitsgemeinschaft? Es ist Zeit, weiterzudenken.

Zugegeben, das war ein plakativer und eventuell überzogener Vergleich, aber Sie wissen, worauf ich hinaus möchte. Also entscheiden Sie selbst und wenn Sie möchten, leisten Sie einen kleinen Beitrag zur Sensibilisierung und Gestaltung unserer Arbeitswelt hinsichtlich der Thematik „Führung und moralisches Verhalten“ in dem Sie an meiner Studie teilnehmen (siehe Autoren-Profil).  

Autorenprofil:

  • Gustav Hollnagel (geb. 17.07.1990 in Dresden)
  • Master-Student (TU Dresden) im Bereich „Arbeits- und Organisationspsychologie)
  • Freier Mitarbeiter bei nextpractice GmbH in Bremen
  • Im Zuge seiner Abschlussarbeit: Schauen Sie auf mitarbeiterbefragung-authentische-fuehrung.de vorbei – nehmen Sie an der deutschlandweiten Umfrage teil – profitieren Sie von den globalen Ergebnissen zum Ende der Untersuchung.
  • Fachthemen: Authentische Führung, Selbstführung, Unternehmenskultur, Arbeitsorganisation, Moderation

Quellen:

  • http://www.zeit.de/2015/52/moral-unternehmen-verantwortung-wirtschaftswissenschaften
  • „HAYS HR-Report 2014/15“, Hays plc, 2014.
  • „MoRAL-Studie“, RAL-Institut, 2014.
  • Studie „Wertewelten 4.0“, nextpractice GmbH.
  • „Linking ethical leadership to employee performance: The roles of leader–member exchange, self-efficacy, and organizational identification“, Walumbwa et al. (2011).
  • „Impact of authentic leadership and psychological capital on followers’ trust and Performance“, Zamahani et al. (2011).

 

Bildquelle: © Rawpixel.com - shutterstock.com

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