Die Suchtproblematik der Gesellschaft ist zwangsläufig auch ein Problem der Unternehmen, denn der Alkoholismus macht vor den Werkstoren nicht halt. Ignoranz kann den Arbeitgeber hier teuer zu stehen kommen. Die TÜV SÜD AG hat einen innovativen Weg gefunden, um Mitarbeiter und Führungskräfte für die Gefahren einer Sucht zu sensibilisieren und um im Bedarfsfall effizient helfen zu können - mit großem Erfolg.
Laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS) konsumieren in Deutschland insgesamt 9,5 Mio. Menschen Alkohol in gesundheitlich riskanter Weise. Über drei Millionen Menschen nehmen regelmäßig illegale Drogen zu sich. Schätzungsweise ein Drittel der verordneten Arzneimittel mit Suchtpotenzial (z. B. Schlaf-, Schmerzmittel und Tranquilizer) wird nicht wegen akuter Probleme, sondern langfristig zur Suchterhaltung und zur Vermeidung von Entzugserscheinungen verordnet. Die Zahl der pathologischen Glücksspieler schätzt die DHS auf über 220.000 Personen.
Damit nicht genug. „Auch jede Verhaltensweise kann süchtig entarten“, weiß Dominik Hammer, Dipl.-Psychologe und Suchtbeauftragter bei der TÜV SÜD AG. Bei diesen sogenannten nicht stoffgebundenen Süchten besteht eine psychische Abhängigkeit zu einer Tätigkeit, die durch die Ausschüttung körpereigener Drogen positive Gefühle vermittelt und deshalb unkontrolliert betrieben wird. Kaufsucht, Spielsucht, Arbeitssucht oder Internetsucht sind nur einige Beispiele. „Natürlich wirken sich auch diese Süchte am Arbeitsplatz aus: Internetsüchtige sind oft müde, Spiel- oder Kaufsüchtige mit Schulden sind Diebstahl gefährdet und Arbeitssüchtigen droht häufig der Burnout.“
Suchtgefahr am Arbeitsplatz
Arbeitgeber sind sich immer mehr im Klaren darüber, dass das Suchtverhalten in der Gesellschaft auch vor Bürotüren und Werkstoren nicht halt macht. „Die Zahl der bekannten Suchtfälle nimmt zu“, bestätigt Hammer. „Allerdings ist das zum Teil auch Folge von verbesserter Diagnostik und zunehmenden Hilfsangeboten. Unternehmen und Konzerne können mittlerweile erfolgreich durch Aufklärungs- und Präventionsprogramme dem Suchtverhalten entgegensteuern, um so langfristig den Verlust von qualifizierten Fachkräften zu vermeiden.“
Die Hintergründe für ein Suchtverhalten sieht Hammer zum einen in der zunehmenden Belastung im Alltag und am Arbeitsplatz und zum anderen in der mangelnden Fähigkeit, diesen Stress produktiv zu bewältigen. „Gewohnheiten wie das automatische Feierabendbier oder das pausenlose Durcharbeiten sowie ausweichendes Verhalten ebnen dann den Weg in die Sucht.“ Sind private Probleme die Ursache für eine Sucht, können Unternehmen nur selten präventiv tätig werden. Suchtfördernde Arbeitsbedingungen wie Unter- oder Überforderung, dauerhafte Konflikte mit Kollegen und Vorgesetzten, Zeitdruck, Arbeitsplatzunsicherheit oder fehlende Wertschätzung müssen jedoch so gut es geht beseitigt werden, will man vermeiden, dass gestresste Arbeitnehmer zu Nikotin, Alkohol oder Tabletten greifen, um eine stimulierende oder entspannende Wirkung zu erreichen.
Präventionsprogramme können helfen
Klar ist, suchtkranke Mitarbeiter kosten das Unternehmen Geld. Sei es durch Ausfallzeiten oder Arbeitsunfälle, durch Qualitätsmängel aufgrund verminderter Konzentrationsfähigkeit, durch ein gestörtes Betriebsklima und daraus resultierende mangelnde Motivation oder schlussendlich durch die Neubesetzung einer Stelle. Immer mehr Unternehmen entwickeln daher im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements Suchtpräventionsprogramme, die eng mit dem Arbeitsschutz und der Personalentwicklung verknüpft sind. „TÜV SÜD hat bereits vor elf Jahren eine Konzernbetriebsvereinbarung geschlossen, die neben Hilfsangeboten für suchtgefährdete und suchtkranke Mitarbeiter auch betriebliche Maßnahmen zur Prävention von Suchterkrankungen beinhaltet“, so Dominik Hammer.
Sensibilisieren und Enttabuisieren
Durch einen festgelegten Stufenplan und ein achtköpfiges Präventionsteam bestehend aus Sucht- und Sozialberatern wurde ein effizientes Hilfesystem für Suchtkranke aufgebaut. Gesteuert wird die betriebliche Suchtprävention durch einen paritätisch besetzten Arbeitskreis („AK Sucht“), die operative Umsetzung obliegt dem Suchtbeauftragten, der auch das Präventionsteam koordiniert und supervidiert. Zudem schult er regelmäßig Führungskräfte sowohl thematisch, als auch in ihrem Kommunikationsverhalten in kritischen Situationen. Durch Aktionstage und Vorträge auf Betriebsversammlungen werden Mitarbeiter sensibilisiert und das Thema „Sucht“ gleichzeitig enttabuisiert. Unterstützend findet sich im Intranet ein Infopool, über den das Präventionsteam permanent erreichbar ist und Vorträge, Informationen über Substanzen sowie Selbsttests für die Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Regelmäßig werden auch die Betriebsräte und der Konzernbetriebsrat von den Aktivitäten des Präventionsteams unterrichtet. „Erfolgreiche Prävention setzt neben voller Unterstützung des Themas durch den Vorstand vor allem die Einbindung der Betriebspartner voraus“, unterstreicht Hammer.
Der Plan geht auf. „Die zunehmende Akzeptanz unserer Arbeit zeigt sich in der gesteigerten Nachfrage nach Informationen, aber auch nach Coachings für Führungskräfte“, sagt Hammer. „Führungskräfte müssen keine Suchtdiagnosen stellen, aber rechtzeitig handeln. Dank der zunehmenden Frühintervention bei Auffälligkeiten konnten nachweislich mehr Suchtfälle entdeckt und mit nachhaltigem Erfolg betreut werden.“
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