Der Maschinenbau als Männerdomäne und Floristin ein typischer Frauenberuf? Mit dem Girls‘-Boys’-Day versuchen Politik und Wirtschaft diese stereotypen Denkmuster bei der Berufswahl zu durchbrechen. Doch auch im Recruiting bedienen Personaler häufig unbewusst noch immer alte Denkmuster und Klischees. Dabei ist es wichtig, Bewerbungsprozesse diversity-freundlich zu gestalten, um eine möglichst breite Zielgruppe anzusprechen – und dem Unternehmen vielfältige Potenziale zu sichern.
Kampf den Klischees am Girls‘-Boys‘-Day
Am 28. März öffnen Unternehmen, Betriebe und Hochschulen deshalb ihre Türen für Schüler/innen ab der 5. Klasse. Während die Mädchen in Bereiche wie IT, Technik oder Handwerk schnuppern, lernen die Jungs Berufsfelder kennen, in denen Männer noch immer unterrepräsentiert sind: etwa Soziales, Gesundheit, Pflege und Erziehung. Ziel der Initiative ist es, eine Berufs- und Studienwahl frei von Geschlechterklischees bundesweit zu etablieren.
Ausbildung, Studium, Beruf: typisch Mann, typisch Frau?
Dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist, zeigt die Statistik: In Studiengängen wie Germanistik, Erziehungswissenschaft und soziale Arbeit sind drei Viertel der Studierenden weiblich. Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik werden hingegen zu fast 90 Prozent von Männern belegt. Bei den Ausbildungsberufen gibt es ähnliche Beispiele: Statistisch gesehen findet sich unter zehn Azubis für Kfz-Mechatronik nur eine halbe Frau. Auf der anderen Seite sind verschwindende zwei Prozent der Medizinischen Fachangestellten in Ausbildung männlich.
Diversity bringt Unternehmen voran
Für den Fachkräftemangel bedeutet diese stereotypische Berufswahl eine zusätzliche Verknappung. Deshalb sind Aufklärungskampagnen wie der Girls‘-Boys‘-Day wichtig und notwendig. Aber Schnuppertage allein reichen nicht aus, um das Schubladendenken in unserer Gesellschaft aufzulösen. Egal ob Azubi, Berufseinsteiger oder Führungskraft - Arbeitgeber tun gut daran, die kulturelle Vielfalt im Unternehmen zu fördern, um eine große Bandbreite an Potenzialen und Fähigkeiten nutzen und sich optimal weiterentwickeln zu können. Das geht natürlich weit über die Genderthematik hinaus. Aber bei der Besetzung bis dato klassischer Männerpositionen bewusst auch Frauen anzusprechen und umgekehrt ist immerhin ein erster Schritt.
Zwischenüberschrift
Das Paradoxe: Um Vorurteile bei der Stellenbesetzung zu vermeiden, müssen sich Personaler gerade dieser bedienen. Denn bei aller Gleichstellung und -berechtigung – Männer und Frauen haben stereotype Annahmen über sich selbst. Während sich männliche Bewerber als energischer, durchsetzungsfähiger und entscheidungsfreudiger bewerten, sehen sich Bewerberinnen selbst als verantwortungsbewusster, emotionaler oder kommunikativer. „Dies hat auch Auswirkungen darauf, was Männer und Frauen bei einer Position suchen und wovon sie sich in Stellenanzeigen angesprochen fühlen“, erklärt Dipl. Psych. Tanja Hentschel in einem Interview mit womanandwork.de
Formulierungen in Stellenanzeigen
Während die Formulierung der Stellenanzeige auf die Bewerbungsabsicht von Männern kaum Einfluss hat, empfinden Frauen laut Hentschel Stellen passgenauer, die mit kommunalen Begriffen wie kommunikationsfreudig, team-orientiert, verantwortungsbewusst beschrieben werden. Männlich konnotierte Wörter wie durchsetzungsstark, zielstrebig, offensiv oder auch analytisch verunsichern Frauen eher. Personaler, die in Stellenbeschreibungen eine diversity-freundliche Sprache benutzen, sprechen somit einen größeren Bewerberkreis an.
Realistische Anforderungsprofile
Auch der Aufbau eines Jobinserates und das Anforderungsprofil werden von Frauen und Männern auf unterschiedliche Weise wahrgenommen. Bewerberinnen konzentrieren sich vor allem auf die geforderten Qualifikationen. Männer hingegen widmen sich länger dem Unternehmensprofil und lassen sich im Gegensatz zu Frauen von einem langen Anforderungsprofil nicht unbedingt abschrecken. Sie haben weniger Hemmungen sich zu bewerben, auch wenn sie nicht alle Kriterien erfüllen können. Überzogene Ansprüche vermeiden, das Unternehmen aussagekräftig aber authentisch darstellen und deutlich machen, welche Qualifikationen notwendig bzw. optional sind – das ist der richtige Weg, um keinen Bewerberkreis zu verprellen.
Erklär-Sternchen statt Genderwahnsinn
Henner Knabenreich, Blogger und Berater für digitales Personalmarketing gibt in diesem Zusammenhang einen ungewöhnlichen Denkanstoß: „Was spräche beispielsweise gegen Stellenanzeigen, die sowohl für Frauen als auch für Männer gestaltet werden?“ Quasi eine Stellenanzeige in zwei Versionen – mit jeweils passender Text- und Bildsprache. Kompliziert wird es aber, sobald man auch das dritte Geschlecht in diese Überlegungen einbezieht. Einfacher ist es, auf geschlechtsneutrale Formulierungen (Lernende, Studierende, Kaufleute etc.) und eine diversity-freundliche Bildsprache zu achten – sowohl im Inserat als auch auf der Karriereseite. Statt der inflationären Verwendung des AGG-konformen Zusatzes (m/w/d) im Recruiting, plädiert Knabenreich für das Erklär-Sternchen als simple Lösung: „*Geschlecht (Religion, Alter, …) egal, Hauptsache, Du passt zu uns.“
Unternehmenskultur: Vielfalt muss auch gelebt werden
Bevor Personaler aber in Recruiting-Maßnahmen investieren, die vermeiden, dass sich Bewerber aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihres Alters oder anderer persönlicher Gründe nicht angesprochen fühlen, steht die eigene Unternehmenskultur auf dem Prüfstand. Denn die Grundvoraussetzung für eine authentische Bewerberansprache ist, dass Diversität im Unternehmen gelebt wird – ohne Vorurteile und Gender Bias. Kulturelle Vielfalt in Teams, Arbeitsgruppe und vor allem auf der Führungsebene, familienfreundliche Arbeitsbedingungen, die nicht nur von Müttern in Anspruch genommen werden, betriebliche Benefits, die verschiedene Interessen abdecken – so gelingt es Unternehmen ein größtmögliches Bewerberpublikum zu erreichen und zu überzeugen.
Quellen:
https://www.jobcloud.ch/c/de-ch/blog/2018/03/gender-diversity-im-recruiting/
https://womenandworkblog.wordpress.com; https://www.haufe.de/personal/hr-management/schluss-mit-dem-genderwahnsinn-im-recruiting_80_456226.html; www.klischee-frei.de; https://personalmarketing2null.de/2016/10/agg-geburtstag-personalmarketing/
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