Deshalb finden Personaler, die ein Vorstellungsgespräch mit Standardfragen gestalten, bei gut vorbereiteten Kandidaten kaum Kritikpunkte. Aber eben auch kaum relevante Unterscheidungsmerkmale. Experten, wie Uwe P. Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück, zweifeln deshalb am Nutzen vieler Standardfragen. Da der Bewerber ohnehin gut vorbereitet etwas Wohlklingendes aber Banales darauf antwortet, stiften sie dem Personaler keinen weiteren Nutzen.
Ein gutes Beispiel ist die beliebte Frage nach den persönlichen Stärken. Statt unbestimmt nach den Stärken des Kandidaten zu fragen, empfiehlt Kanning vielmehr gezielt bestimmte Kompetenzen zu untersuchen und nicht darauf zu hoffen, dass der Bewerber etwas von sich gibt, das zufällig passt. Selbst wenn der Bewerber eine stellenrelevante Kompetenz nennen würde, sei mit der Standardfrage nicht klar, ob ihre Ausprägung auch ausreichend ist. „Für Fußballmannschaften sucht man schließlich auch niemanden, der besser Fußball als Tennis spielt, sondern jemanden, der hinreichend gut Fußball spielen kann.“
Besser als mit der Frage "Warum soll ich Sie einstellen?" könne ein Interviewer laut Kanning seine eigene Hilflosigkeit gar nicht zum Ausdruck bringen. Diese Frage zu beantworten sei die ureigene Aufgabe des Interviewers, erklärt der Experte weiter. „Der Bewerber kann die Frage gar nicht sinnvoll beantworten, da er die spezifischen Anforderungen der Stelle nicht kennt. Ebenso gut könnte ein Arzt seinen Patienten fragen, welche Krankheit er habe und wie sie behandelt werden müsse.“
Trotzdem: Um die Eignung eines Kandidaten hinsichtlich seiner Persönlichkeit, seines Knowhows und seiner Fähigkeiten objektiv beurteilen zu können, sind Einstellungsinterviews eine bewährte und sinnvolle Methode und daher fester Bestandteil fast aller Auswahlverfahren. Das gewünschte Ergebnis erzielt der Personaler aber nur dann, wenn er auch die richtigen Fragen stellt. In einer Kolumne auf Haufe.de erklärt Kanning, wie Standardfragen vermieden und diagnostisch wertvolle Interviews geführt werden können. Seine Tipps zur Vorbereitung des nächsten Bewerbungsgesprächs:
Um nicht nur Standardfragen, sondern vor allem Standardantworten zu vermeiden, hilft es meist schon, die Frage einfach anders zu formulieren, um den Bewerber zum Nachdenken und damit zu einer Antwort zu bewegen, die wesentlich authentischer ist. Hier einige Beispiele
Standard: Warum haben Sie sich bei uns beworben
Besser: Was kann Ihnen diese Position anderes bieten als Ihre bisherige?
Die Antwort gibt Aufschluss über die Beweggründe des Bewerbers und seine Erwartungshaltung.
Standard: Was motiviert Sie?
Besser: Wenn Sie Ihren perfekten Job selbst gestalten können, wie sähe er aus?
Die Antwort gibt Aufschluss über den inneren Antrieb des Bewerbers und wie reflektiert er mit seiner Aufgabe umgeht.
Standard: Sind Sie teamfähig?
Besser: Wenn ich zwei Ihrer Ex-Kollegen zu Ihnen befragen würde – einen Freund von Ihnen und einen, der das eher nicht ist: In welchen Punkten würden dennoch beide übereinstimmen?
Die Antwort zeigt, ob der Bewerber Empathie besitzt und sich selbst realistisch einschätzen kann. Beides sind Voraussetzungen für einen guten Team-Player.
Standard: Was erwarten Sie von uns?
Besser: Was schuldet Ihrer Meinung nach ein Unternehmen seinen Mitarbeitern? Die Antwort offenbart, welche wahren Erwartungen er an die ausgeschriebene Position und seinen neuen Arbeitgeber hat und was ihn letztendlich motiviert.
Standard: Warum sind Sie der richtige Kandidat für diese Stelle?
Besser: Was können Sie mir von sich erzählen, das nicht in Ihrem Lebenslauf steht und mir hilft, Sie von anderen Bewerbern zu unterscheiden und mich an Sie zu erinnern?
Beide Varianten sollen den Bewerber dazu animieren, für sich zu werben. Die Antwort auf die zweite Frage erfordert außerdem Spontanität und Kreativität.
Quelle: https://www.haufe.de/personal/hr-management/fragen-der-hilflosigkeit-im-bewerbungsgespraech_80_177792.html