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Über Sinn und Unsinn des Mitarbeitergesprächs

Geschrieben von CareerBuilder Germany | 16 März 2021

Das jährliche Mitarbeitergespräch wird von Führungskräften und Mitarbeitern oft als lästige Pflicht gesehen. Und auch HR-Experten halten diese zwangsverordnete, meist standardisierte Kommunikation für sinnlos. Unter welchen Voraussetzungen ein Mitarbeitergespräch das Potenzial zum Führungsinstrument hat, lesen Sie hier…

Beim Thema „Mitarbeitergespräch“ scheiden sich die Expertengeister. Die einen halten das meist jährlich geplante Vier-Augen-Gespräch zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern für eines der wichtigsten Führungsinstrumente überhaupt, für andere ist es nur eine Farce. Wenn man Mitarbeiter dazu befragt, ist es ähnlich. Die einen neigen zu Enthusiasmus – schließlich sei dies die einzige Möglichkeit, die eigenen Anliegen ausführlich und in Ruhe dem Chef zu erläutern – während die anderen das Mitarbeitergespräch als lästigen Pflichttermin abhaken, bei dem ein standardisierter Fragebogen ausgefüllt wird. Hauptsache, HR ist glücklich.

Partnerschaftliche Führung macht Mitarbeitergespräche überflüssig

„Beide Konstellationen haben etwas Beschämendes an sich“, konstatiert Armin Trost in seinem Artikel „Wozu noch Mitarbeitergespräche“ im Harvard Business Manager. „Die erste fühlt sich nach halbherziger Pflichterfüllung gegenüber der Human-Resources-Abteilung an. Die zweite vermittelt den Eindruck, der Mitarbeiter sei vernachlässigt und offenbar auf einen offiziellen, von HR eingeforderten Termin angewiesen, um mit seinem Manager über Substantielles zu sprechen.“ Der Professor für Human Resources Management an der Hochschule Furtwangen sieht in Mitarbeitergesprächen in ihrer heutigen Form ein Armutszeugnis. Seine Argumentation: Wenn grundsätzlich kein auf Vertrauen basierendes, partnerschaftliches Verhältnis zwischen Manager und Mitarbeiter existiert, kann auch ein verordnetes Mitarbeitergespräch mangelnde Führungsqualitäten nicht kompensieren.

Im Gegenzug empfänden Mitarbeiter und Manager, die das ganze Jahr über ein vertrauensvolles, vielleicht sogar partnerschaftliches Verhältnis pflegen, das Mitarbeitergespräch meist als überflüssig. „Wir erleben in der modernen Arbeitswelt zunehmend eine Form partnerschaftlicher Führung als Alternative zu traditioneller Führung“, erklärt Trost. „In einem von Vertrauen geprägten Verhältnis zwischen Manager und Mitarbeiter mutet ein institutionalisiertes Mitarbeitergespräch fremd an. Es passt nicht zu der Umgangsform, die beide Seiten sonst über das Jahr hinweg pflegen.“ Schlimmer noch, es könnte nach Ansicht Trosts der Unternehmenskultur schaden.

Hohe Führungskomplexität macht feste Termine unumgänglich

Die Argumentation ist einleuchtend. Allerdings stellt sich die Frage, inwieweit ein partnerschaftlicher Führungsstil bereits in deutschen Firmen praktiziert wird. In kleinen und mittelständischen Unternehmen lässt sich dieser sicher leichter umsetzen. Aber mit zunehmender Größe und Komplexität der Unternehmung und mit zunehmender Anzahl von Mitarbeitern, denen ein Manager vorsteht, ist partnerschaftliche, vertrauensbasierte Führung im Moment sicher noch der erstrebenswerte Idealfall. Ein konstanter und enger Austausch mit jedem Mitarbeiter ist kleinen Teams ohne weiteres möglich. Doch je größer der Verantwortungsbereich des Managers, umso voller ist sein Terminkalender. Für ein Gespräch, das nicht zwischen Tür und Angel stattfinden soll, ist ein gesetzter Timeslot fast unumgänglich.

Sind Mitarbeitergespräche also doch mehr als vertane Zeit? Managementtrainer wie Friedemann Stracke sind davon überzeugt. „Ein Mitarbeitergespräch ist das beste Führungsinstrument, wenn es gut genutzt wird“, erklärte er kürzlich gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.). „Der Mitarbeiter kommt aus der Anonymität heraus und eröffnet neue Aspekte für die Zukunft.“ Wie gesagt, wenn es gut genutzt wird… Das scheint oft genug nicht der Fall zu sein, denn hört man sich um – egal ob unter Managern oder Mitarbeitern – ist das Mitarbeitergespräch ungefähr so beliebt wie Lothar Matthäus bei den Frauen. Stracke kennt die Gründe: Der Mitarbeiter befürchte Kritik und der Chef habe Angst mit Dingen konfrontiert zu werden, die er nicht belegen kann, einfach weil ihm die notwendigen Informationen fehlen. Ein vorbehaltloser und kameradschaftlicher Austausch ist unter diesen Voraussetzungen schwerlich vorstellbar.

Offene und individueller Austausch ist Aufgabe der Führungskraft

So sind die Kritikpunkte von Angestellten, die der Managementtrainer in dem Artikel der F.A.Z. aufzählt, nicht weiter verwunderlich: Einseitige Kommunikation, mangelndes Verständnis und fehlende Kompromissbereitschaft, Vermeidung kritischer Punkte, Gespräche unter Zeitdruck und Mitarbeiter, die sich rhetorisch unterlegen fühlen. Hier liegt die Verantwortung klar auf der Seite der Führungskräfte. Denn ihnen obliegt es, das Gespräch so vorzubereiten und zu gestalten, dass beide Seiten davon profitieren. An dieser Stelle sind sich Befürworter und Gegner des Mitarbeitergespräches einig – es ist Aufgabe des Managements, einen offenen und individuellen Austausch mit jedem Mitarbeiter zu pflegen – ob mit Termin oder ohne. Das Entscheidende dabei: Ein Mitarbeitergespräch muss mehr sein als das Ausfüllen standardisierter Formulare und Fragebögen. Erst dann hat es das Potenzial eines echten Führungsinstrumentes.

Zuhören, Verstehen, Respektieren

Oft hilft schon die Befolgung einiger grundlegender Regeln, damit beide Seiten zufriedenen aus dem Gespräch gehen. Zu den wichtigsten zählen neben einer gründlichen Vorbereitung das Zuhören, Verstehen und Respektieren. Hier kann jeder Führende seine empathische Kompetenz unter Beweis stellen. Verständnis für die Ansichten und Wünsche des Mitarbeiters aufzubringen, muss aber nicht immer bedeuten, diese auch zu akzeptieren. Dann ist es wichtig, ruhig und sachlich zu argumentieren und im Gespräch einen Konsens zu finden. Manager, die kraft ihrer Weisungsbefugnis eine „Lösung“ anordnen, agieren in aller Regel kontraproduktiv. Friedemann Stracke hat diesbezüglich zwei Leitsätze für Führungskräfte: „Kümmere Dich erst um die Person, dann um das Thema. Rede weniger als Du möchtest.“ Und Authentizität sei wichtig. „Ich muss nicht alles sagen, was ich denke. Aber was ich sage, sollte ich auch denken.“

 

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