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Von Stereotypen und Sandwich-Kandidaten: Die häufigsten Beurteilungsfehler im Bewerbungsgespräch

Geschrieben von CareerBuilder Germany | 05 September 2019

Das menschliche Gehirn – also auch das eines Recruiters – mag es einfach. Es liebt Routinen, Schubläden, Stereotype, Schemata, Abkürzungen und andere Vereinfachungen, die dabei helfen die Informationsflut um uns herum in überschaubare Bahnen zu lenken. Natürlich haben die unbewussten Denkmuster  auch starken Einfluss darauf, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen und einschätzen. Im Recruiting kann das Fehlentscheidungen nach sich ziehen. Denn auch die gute Menschenkenntnis eines Personalexperten fällt hin und wieder seinem effizienzorientierten Gedankenapparat zum Opfer. Vor allem in Vorstellungsgesprächen kommt es deshalb zu Beurteilungsfehlern.

Hier lauern unbewusste Beurteilungsfehler

Gemäß dem Sprichwort „Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung“ erläutern wir anhand von Beispielen, warum selbst das Recruiter-Hirn manchmal die Objektivität vernachlässigt und fest installierten Denkmustern folgt.

Der erste Eindruck zählt immer

Ob wir wollen oder nicht – schon der erste Eindruck eines Kandidaten zwingt unser Gehirn zu einer Beurteilung. Ein offenes Lächeln oder ein schlaffer Händedruck, ein schlurfender Gang oder ein tolles Outfit – durch diese Wahrnehmungen ziehen wir bewusst oder unbewusst Rückschlüsse auf die Person. Im Verlauf des Gesprächs sucht das Gehirn ganz automatisch nach Anhaltspunkten, die den ersten Eindruck bestätigen (Pygmalion-Effekt).

Der Similar-to-Me-Effekt

Um zu beurteilen, braucht man einen Maßstab. Dabei greifen wir intuitiv gern auf die eigene Person zurück. Ein besonders wortgewandter Personaler stellt zum Beispiel automatisch hohe Ansprüche an die Kommunikationskompetenz des Bewerbers und gelangt nur aus diesem Grund zu einer positiveren oder negativeren Beurteilung. Hat der Kandidat ähnliche persönliche Eigenschaften oder Präferenzen wie der Recruiter, wirkt das auf diesen meist sympathisch. Er beurteilt den Bewerber dann mitunter besser als andere mit objektiv gleicher Qualifikation.

Sich blenden lassen vom Halo-Effekt

Manchmal lassen wir uns blenden – von einer besonderen Eigenschaft eines Menschen, die alle anderen in den Schatten stellt. Dann trübt der Halo-Effekt unser Urteilsvermögen. Auch Personalern passiert das hin und wieder: Zeigt sich ein Kandidat im Gespräch etwa besonders einfallsreich, wird von dieser herausragenden Einzelkompetenz gern auf die Gesamtleistung geschlossen und man ist überzeugt, einen wirklich kreativen Kopf für das Unternehmen gefunden zu haben. Der Halo-Effekt bewirkt auch, dass wir von dominanten äußeren Merkmalen auf innere Kompetenzen schließen. Studien belegen, dass attraktive Menschen von anderen meist als intelligent und erfolgreich wahrgenommen werden.

Höherer Status bedeutet mehr Kompetenz

Auch der soziale Status einer Person führt bei den meisten Menschen unweigerlich zu einer Beurteilung. Führungskräfte werden allein aufgrund ihrer Position kompetenter eingestuft als beispielsweise junge Bewerber mit weniger Berufserfahrung. Die tatsächlichen Fähigkeiten spielen bei dieser unbewussten Einschätzung keine Rolle. In diesem Fall lassen sich Personaler von Hierarchie- und Benjamin-Effekt täuschen.

Der erste und der letzte und die Sandwich-Kandidaten

Der schon erwähnte Primacy-Effekt tritt auch dann auf, wenn mehrere Bewerbungsgespräche in schneller Folge geführt werden. Auch hier bleibt der erste Kandidat dem Personaler meist besser im Gedächtnis als die folgenden. Aber auch das zuletzt geführte Gespräch hinterlässt häufig einen bleibenden Eindruck (Recency-Effekt), während die Sandwich-Kandidaten in der Menge untergehen.

Typisch Vorurteil

Typisch Mann, typisch Frau, typisch deutsch, typisch Beamter: Soziale Stereotype dürften zu den bekanntesten Beobachtungsfehlern zählen. Sozialen Gruppen werden bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen zugeschrieben, die wiederum als typisch für jedes einzelne Gruppenmitglied gelten. Mit anderen Worten: Wir lassen uns von Vorurteilen beeinflussen. Personaler könnten daher von Haus aus Frauen weniger Selbstvertrauen und Männern fehlende Empathie unterstellen; bebrillten Informatikabsolventen Eigenbrötlerei und asiatischen Bewerbern Beflissenheit.

8 Tipps um Fehlbeurteilungen vorzubeugen

Einen wichtigen Ratschlag haben Sie bereits befolgt, indem Sie diesen Artikel gelesen haben. Denn das Bewusstsein für mögliche Wahrnehmungsfehler ist der erste Schritt, um sie künftig zu vermeiden. Wetten, Ihr Gehirn trickst Sie beim nächsten Bewerbungsgespräch nicht mehr so leicht aus? Hier sind sieben weitere Tipps:

  • Bewerbungsgespräche sollten immer mit mehreren Personen des Unternehmens geführt werden (z.B. Personaler, Abteilungsleiter und direkter Vorgesetzter).
  • Schulen Sie Beurteiler in professionellen Interviewcoachings!
  • Führen Sie Vor- und Nachgespräche mit allen Beurteilern zu jedem Kandidaten!
  • Trennen Sie Beobachtung und Bewertung, indem Sie das Gespräch zunächst möglichst genau protokollieren (lassen)! Die Bewertung erfolgt erst später.
  • Konzentrieren sich auf messbare Qualifikationen und Leistungsmerkmale und lassen Sie sich möglichst nicht von äußeren Erscheinungsmerkmalen beeinflussen.
  • Nutzen Sie standardisierte Beurteilungsbögen zur Bewertung.
  • Werten Sie die Beurteilungsbögen zunächst selbst aus, bevor Sie ein gemeinsames Gesamturteil fällen! So vermeiden Sie eine gegenseitige Einflussnahme.

 

Quellen:

https://www.lecturio.de/magazin/bewertungsfehler-personalauswahl/

https://www.kraus-und-partner.de/sites/default/files/institutes/downloads/beobachterfehler_030912.pdf

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