Gemäß dem Sprichwort „Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung“ erläutern wir anhand von Beispielen, warum selbst das Recruiter-Hirn manchmal die Objektivität vernachlässigt und fest installierten Denkmustern folgt.
Ob wir wollen oder nicht – schon der erste Eindruck eines Kandidaten zwingt unser Gehirn zu einer Beurteilung. Ein offenes Lächeln oder ein schlaffer Händedruck, ein schlurfender Gang oder ein tolles Outfit – durch diese Wahrnehmungen ziehen wir bewusst oder unbewusst Rückschlüsse auf die Person. Im Verlauf des Gesprächs sucht das Gehirn ganz automatisch nach Anhaltspunkten, die den ersten Eindruck bestätigen (Pygmalion-Effekt).
Um zu beurteilen, braucht man einen Maßstab. Dabei greifen wir intuitiv gern auf die eigene Person zurück. Ein besonders wortgewandter Personaler stellt zum Beispiel automatisch hohe Ansprüche an die Kommunikationskompetenz des Bewerbers und gelangt nur aus diesem Grund zu einer positiveren oder negativeren Beurteilung. Hat der Kandidat ähnliche persönliche Eigenschaften oder Präferenzen wie der Recruiter, wirkt das auf diesen meist sympathisch. Er beurteilt den Bewerber dann mitunter besser als andere mit objektiv gleicher Qualifikation.
Manchmal lassen wir uns blenden – von einer besonderen Eigenschaft eines Menschen, die alle anderen in den Schatten stellt. Dann trübt der Halo-Effekt unser Urteilsvermögen. Auch Personalern passiert das hin und wieder: Zeigt sich ein Kandidat im Gespräch etwa besonders einfallsreich, wird von dieser herausragenden Einzelkompetenz gern auf die Gesamtleistung geschlossen und man ist überzeugt, einen wirklich kreativen Kopf für das Unternehmen gefunden zu haben. Der Halo-Effekt bewirkt auch, dass wir von dominanten äußeren Merkmalen auf innere Kompetenzen schließen. Studien belegen, dass attraktive Menschen von anderen meist als intelligent und erfolgreich wahrgenommen werden.
Auch der soziale Status einer Person führt bei den meisten Menschen unweigerlich zu einer Beurteilung. Führungskräfte werden allein aufgrund ihrer Position kompetenter eingestuft als beispielsweise junge Bewerber mit weniger Berufserfahrung. Die tatsächlichen Fähigkeiten spielen bei dieser unbewussten Einschätzung keine Rolle. In diesem Fall lassen sich Personaler von Hierarchie- und Benjamin-Effekt täuschen.
Der schon erwähnte Primacy-Effekt tritt auch dann auf, wenn mehrere Bewerbungsgespräche in schneller Folge geführt werden. Auch hier bleibt der erste Kandidat dem Personaler meist besser im Gedächtnis als die folgenden. Aber auch das zuletzt geführte Gespräch hinterlässt häufig einen bleibenden Eindruck (Recency-Effekt), während die Sandwich-Kandidaten in der Menge untergehen.
Typisch Mann, typisch Frau, typisch deutsch, typisch Beamter: Soziale Stereotype dürften zu den bekanntesten Beobachtungsfehlern zählen. Sozialen Gruppen werden bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen zugeschrieben, die wiederum als typisch für jedes einzelne Gruppenmitglied gelten. Mit anderen Worten: Wir lassen uns von Vorurteilen beeinflussen. Personaler könnten daher von Haus aus Frauen weniger Selbstvertrauen und Männern fehlende Empathie unterstellen; bebrillten Informatikabsolventen Eigenbrötlerei und asiatischen Bewerbern Beflissenheit.
Einen wichtigen Ratschlag haben Sie bereits befolgt, indem Sie diesen Artikel gelesen haben. Denn das Bewusstsein für mögliche Wahrnehmungsfehler ist der erste Schritt, um sie künftig zu vermeiden. Wetten, Ihr Gehirn trickst Sie beim nächsten Bewerbungsgespräch nicht mehr so leicht aus? Hier sind sieben weitere Tipps:
Quellen:
https://www.lecturio.de/magazin/bewertungsfehler-personalauswahl/