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Stellenausschreibung nach AGG – Teil 1

Geschrieben von CareerBuilder Germany | 11 Oktober 2017

Ein Interview mit Arbeitsrechtsexpertin Katharina Schumann

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll Arbeitnehmer vor „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ schützen. Doch was bedeutet dies für Arbeitgeber und Personaler im Recruiting genau? Was gibt es bei Stellenausschreibungen zu beachten und wann können unbedachte Äußerungen gegenüber Bewerbern teuer werden? Wir haben mit der Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Frau Katharina Schumann aus der Kanzlei Lehner und Kollegen in München gesprochen.

Recruiter erstellen häufig bereits vorab ein Idealprofil des perfekten Kandidaten für eine neu frei gewordene Stelle. Wie kann ich als Arbeitgeber sicherstellen, dass sich die richtigen Bewerber auf meine Stellenanzeige melden, ohne dabei das AGG zu verletzen?

Eine Antwort ist hier schwierig, denn wenn ich den jungen, männlichen IT-Freak mit perfekten Englischkenntnissen suche, kann ich das so aus Diskriminierungsgründen leider nicht in die Stellenanzeige reinschreiben. Die Stellenanzeige sollte stets beide Geschlechter ansprechen und auch bezüglich des Alters oder der Herkunft keine Vorgaben machen. Auch Umschreibungen wie „Hochschulabsolventen/Young Professionals“ sind schwierig und sollten unterlassen werden, da sie Bewerber mit langer Berufserfahrung indirekt wegen des Alters benachteiligen. Mit Vorsicht zu genießen sind auch Attribute wie "körperlich kräftig", "belastbar", "ungebunden", "deutscher Muttersprachler", die auf eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts, einer Behinderung oder der ethnischen Herkunft hindeuten können.

Als Arbeitgeber muss ich in Kauf nehmen, dass ich dann zwar auch Bewerbungen von - aus Arbeitgebersicht - ungeeigneten Bewerbern bekomme. Allerdings bin ich dann auch nicht dem Vorwurf ausgesetzt, mit der Stellenanzeige gewisse Bewerber zu benachteiligen/ zu diskriminieren.

Ausnahmen sind natürlich dann möglich, wenn der Grund „wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist“ (vgl. § 8 AGG). Zum Beispiel rechtfertigt der Vertrieb komplexer Versicherungs- oder Altersvorsorge-Produkte an ausländische Kunden mit geringer deutscher Sprachkompetenz eine berufliche Anforderung „perfekte Beherrschung der (jeweiligen) Sprache der Klientel“, nicht aber zugleich diejenige nach Zugehörigkeit zu deren ethnischer Gruppierung. Ebenso wird man für die Werbung von Damenwäsche nur weibliche Models suchen dürfen, genauso wie für die Werbung von Herrenmode lediglich Männer eingesetzt werden können. Auch die Stellenausschreibung für eine weibliche Filmrolle, die lediglich nach weiblichen Bewerbern sucht, ist gerechtfertigt, da das Drehbuch das Geschlecht der Rolle vorgibt.

Eine bestimmte Berufserfahrung kann ich als Arbeitgeber aber sehr wohl verlangen, wenn sie für den konkreten Job auch wirklich erforderlich ist und dieses Merkmal nicht bloß vorgeschoben wird, um eine bestimmte Altersgruppe von einer Bewerbung abzuhalten.

Vorsicht ist geboten, die Suche nach bestimmten Kandidaten eines Geschlechts mit der Kundenpräferenz oder der Branche zu begründen. Eine berufliche Anforderung liegt nämlich nur dann vor, wenn das Auswahlkriterium einen hinreichend engen Tätigkeitsbezug aufweist, der nachweislich den Erfolg der Tätigkeit wesentlich bestimmt. Eine wesentliche berufliche Anforderung kann zwar durch ein unternehmerisches Konzept geschaffen werden. Nicht jede Vorstellung davon, mit welchem Personal ein Unternehmen konkret geführt werden soll, ist aber schon eine „entscheidende berufliche“ Anforderung. Ein Unternehmenskonzept mag durchaus darin liegen, nur mit exotisch aussehenden Frauen oder mit sportlichen Männern eine bestimmte Dienstleistung am Markt zu positionieren, eine „berufliche“ Anforderung läge darin aber nicht. Anderenfalls liefe das Benachteiligungsverbot stets leer, wenn auf einen Kundenkreis verwiesen werden könnte, der bestimmte Vorlieben pflegt.

Wichtig ist, dass immer die zu besetzende Stelle mit ihren tatsächlichen, erforderlichen Anforderungen beschrieben wird, nicht der gewünschte Bewerber. Es ist aufzuzeigen, welche Tätigkeiten die Stelle abverlangt, also objektiv vom neuen Mitarbeiter zu verrichten sind („körperlich belastbares Tragen und Heben, Korrespondenz in fließendem Spanisch, Schichtarbeit, hohe Reisetätigkeit“ usw.).

Auf welche Fragen und auf welche Aussagen bezüglich des idealen Kandidaten muss ich im Vorstellungsgespräch bzw. im Interview-Prozess unbedingt verzichten, um nicht gegen das AGG zu verstoßen?

Grundsätzlich darf der Arbeitgeber dem Bewerber nur Fragen stellen, die für die Eingehung und Durchführung des Arbeitsverhältnisses sachlich gerechtfertigt sind. Im Vorstellungsgespräch oder Recruitingprozess allgemein sollte auf Fragen verzichtet werden, die den Bewerber unmittelbar oder mittelbar wegen eines der verpönten Merkmale des AGG diskriminieren können.

Dies ist in jedem Fall die Frage nach der Schwangerschaft bei einer unbefristeten Einstellung, da nur Frauen betroffen sein können und diese somit mittelbar wegen des Geschlechts diskriminiert werden könnten. Bei einer befristeten Einstellung ist umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden, ob die Frage zulässig ist.

Ebenfalls unzulässig ist nach herrschender Meinung die Frage nach einer Behinderung oder Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung, da diese eine unmittelbare Benachteiligung wegen der Behinderung darstellt.

Ebenso unzulässig sind Fragen, die direkt oder indirekt die sexuelle Identität betreffen. Denn die sexuelle Ausrichtung, egal ob hetero-, homo-, bi- oder transsexuell, darf für die Frage der Geeignetheit eines Bewerbers für eine bestimmte Stelle keine Rolle spielen, da ansonsten eine ungerechtfertigte Benachteiligung iSd. AGG vorliegt.

Desweiteren sollten Fragen in privaten Unternehmen und dem Öffentlichen Dienst zur Religionszugehörigkeit vermieden werden, da dies eine Diskriminierung indizieren kann. Nach der Einstellung ist die Frage aber zulässig, da der Arbeitgeber Kenntnis darüber haben muss, ob ggf. Kirchensteuer abzuführen ist, die für eine korrekte Gehaltsabrechnung erforderlich ist. Ausnahmen bestehen nach § 9 AGG, demnach eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften (und ihren Einrichtungen) zulässig ist, wenn eine bestimmte Religion unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. „Verkündigungsnahen" Tätigkeiten, wie z.B. die der Priester oder Erzieher im katholischen Kindergarten, sind ausschließlich Mitgliedern der eigenen Religionsgemeinschaft vorbehalten. Sie verkörpern die religiösen Werte der jeweiligen kirchlichen Einrichtung, wodurch der Bezug zur kirchlichen Glaubensrichtung hier direkt gegeben ist. Anders ist dies bei "verkündigungsfernen" Tätigkeiten, wie z.B. die die der Putzfrau oder von Referenten. Mitarbeiter dieser Bereiche verkörpern nach außen nicht die kirchlichen Werte, da ihre Tätigkeit keinen direkten Bezug zur Glaubensrichtung hat. Eine Ungleichbehandlung von Bewerbern anderer Konfessionen/ ohne Konfession wäre hier damit nicht begründbar und die Frage nach der Religion damit unzulässig bzw. Indiz für eine Diskriminierung.

Welche Gründe darf/muss ich als Recruiter nennen, wenn ich einem Bewerber eine Absage schicke? Wie sollte ich reagieren, wenn der Bewerber telefonisch nachfragt, um die Gründe für die Ablehnung zu erfahren?

Hier gilt es, sich so bedeckt wie möglich zu halten. Wurde ein anderer Bewerber ausgewählt, kann dies dem erfolglosen Bewerber ohne Wertung und ohne Angabe zu den Gründen seiner Ablehnung mitgeteilt werden. Wurde niemand eingestellt, kann dies auch - ebenfalls ohne Begründung - so mitgeteilt werden, insbesondere bei Initiativbewerbungen. Da die Gefahr hoch ist, sich wegen einer gut gemeinten Begründung dem Vorwurf der Diskriminierung ausgesetzt zu sehen, sollten lange Erklärungen unterbleiben, insbesondere nicht schriftlich erfolgen.

Bei der telefonischen Nachfrage hat der Bewerber zwar theoretisch Beweisschwierigkeiten im Nachgang, es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass ein Dritter das Gespräch mit hört. Deshalb sollten Sie hier auch Vorsicht walten lassen und lieber zu wenig als zu viel erklären. Hilfreich ist hier dann z.B. die Auskunft, dass man so viele gute Bewerber hatte, aber eben nur eine Stelle zu besetzen war, weshalb der erfolglose Bewerber eine Ablehnung erhalten hat. Sollte der Bewerber weiter nachbohren, sollten Sie bewusst Grenzen setzen und sich nicht in weiterer Erklärungsversuche verstricken lassen.

 

Lesen Sie im zweiten Teil unseres Artikels, wie Arbeitgeber auf Klageandrohungen reagieren sollten und was Sie vorab tun können, um etwaige Klagen zu vermeiden.

 

Weitere Informationen: www.lehner-kollegen.de

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