Es gibt Zeiten, das ist einfach alles zu viel. Die Freude an Führung und Verantwortung kehrt sich ins Gegenteil. Selbst Menschen und Dinge, die wir sonst mögen, gehen uns auf die Nerven. Ein guter Rat, ein fröhliches Lachen oder gut gemeinte Kommentare sind dann sogar eine Belastung. Am liebsten würden wir den ständig Positiven aus dem Weg gehen.
Wir kommen in einen negativen Zustand weil wir
Müdigkeit, Energielosigkeit und verlorene Lebensfreude werden durch monatelange, wenn nicht gar jahrelange Überforderung verursacht.
Wir könnten so viel leisten – wenn wir uns erholen würden. Da wir es nicht tun, sind wir stressanfälliger. Die Mandelkerne, die Stressverarbeitungsstellen im Gehirn, vergrößern sich und wir regen uns immer schneller auf.
Menschheitsgeschichtlich diente es dem Überleben, damit wir uns auf Gefahr konzentrieren. Das hat sich heute verselbstständigt. Wir relativieren nicht mehr, sehen nicht mehr, wie viel Angenehmes, Sinnvolles, Schönes es zur selben Zeit gibt.
Abhängigkeit ist unter anderem dadurch gekennzeichnet dass unsere „Droge“ den wichtigsten Part in unserem Leben ausmacht, Anerkennung und Befriedigung bringt. Wir glauben, das, was und wie wir es tun, ginge nicht anders, wir müssten alles perfekt machen und nur wir könnten dies. Wir meinen, wir hätten keine Alternative.
Ein wichtiges Signal, dass negativer Stress die Regie übernommen hat, ist der soziale Rückzug. Das Familienabendessen wird mental abwesend überstanden, Freunde werden vernachlässigt und um sich selbst kümmert man sich auch wenig.
Gute Gefühle gleichen die negativen in der Wirkung auf Körper und Geist aus. Wer ausgeglichen und gelassen ist, reagiert anders auf schlechte Nachrichten. Er kann sie besser relativieren und wird sich weniger aufregen. Wir sind weniger anfällig für Neid und Sorgen.
In einer Metaanalyse von Lyubomirsky, King und Diener zu Auswirkungen von Wohlbefinden auf die Arbeit fanden die Autoren, dass glückliche Arbeitnehmer...
...von Kunden positiver eingeschätzt werden,
...produktiver sind
...weniger kontraproduktives Verhalten wie Mobbing zeigen
...weniger Burnout haben
...zufriedener mit der Arbeit sind
...sich selbst höhere Ziele setzen
...effizienter arbeiten.
Eine gute Stimmung im Unternehmen ist direkt korreliert mit Produktivität, weniger Fehlzeiten, weniger Fluktuation und Konflikten mit anderen Kollegen.
Positive Emotionen
- sind eine Art Auszeit in Stressphasen
- relativieren negative Gedanken, indem sie positive stärken.
- führen dazu, dass häufiger positiv gedacht und interpretiert wird. Das wiederum fördert das Wohlbefinden und damit die Leistungsfähigkeit in Stresszeiten.
- beruhigen verbunden mit guten Gedanken den Herzschlag, wenn man eine Belastung erlebt hat.
Wenn Positives Denken rundherum so wunderbar ist - warum tun wir es dann nicht einfach und warum stört es uns manchmal geradezu? Dies sind die Bedenken:
Positives Denken setzt mich unter Druck
Wenn zu allem anderen auch noch der Anspruch hinzukommt, stets den positiven Blick auf die Welt zu haben, kann das richtig stressen. Es kommt jedoch darauf an, ob ich es „will“ oder „soll“.
Positives Denken macht mich schwach und angreifbar
Im Gegenteil. Die kognitiven Leistungen verbessern sich bei guter Stimmung sogar. Emiliano Albanese von der Universität Genf fand, dass Aggressivität wie 10 Jahre Alterung auf das Gehirn wirkt.
Positives Denken funktioniert nicht
Immer wieder beklagen Menschen, dass positiv zu denken nicht funktionieren würde. Das könnte passieren, wenn wir zu wenig Ausdauer haben. Oft haben wir über Jahrzehnte das alte Denken trainiert und hoffen dann, in wenigen Wochen alles zu ändern. Von Violinisten und Schachspielern ist jedoch bekannt, dass 10 Jahre bzw. 10.000 Stunden Übung benötigt werden.
Positives Denken heißt, die Augen vor der Realität zu schließen
Absolut nicht, denn sich etwas vorzumachen oder das Unangenehme zu unterdrücken, gehört nicht zum Positiven Denken. Es geht um das authentische Wahrnehmen beider Seiten einer Medaille.
Positives Denken braucht Positives als Voraussetzung
Dopamin ist ein Botenstoff, der sich abnutzt, wenn etwas gleich bleibt. Dann wecken die vorhandenen guten Dinge wie ein gesunder Stuhl oder kostenloser Kaffee keine guten Emotionen mehr; wir sehen das Gute gar nicht mehr.
Positives Denken geht nur in der Freizeit
Ganz und gar nicht. Denn aus der Forschung zum Flow-Zustand wissen wir, dass bei der Arbeit dieser angenehme Hochleistungswohlfühlzustand dreimal häufiger möglich ist als in der Freizeit. Voraussetzung dafür ist wieder der positive Blick auf die Anstrengung – und deren Angemessenheit.
Negative Emotionen haben auf unseren Körper einen viel schädlicheren Einfluss als gute ausgleichen können. Deshalb geht die Positive Psychologie davon aus, dass es ein Verhältnis von mindestens 3:1 von positiven zu negativen Momenten geben sollte, damit Menschen langfristig gesund und Teams erfolgreich sind.
Tenor aller von der Positiven Psychologie untersuchten Ideen ist die Änderung des Fokus‘: Weg vom Festfahren in Negativem, hin zur Unterbrechung, Relativierung oder zum Austausch. Die aktuelle Wissenschaft spricht von der Priorisierung von Positivität. Das bedeutet, täglich bewusst nach Situationen und Aktivitäten zu suchen, die positive Gefühle auslösen. Erfreulicherweise ist dies kein angeborenes Talent, sondern eine Haltung, die wir lernen können.
Dies sind kleine Beispiele, die immer gehen:
Ermöglichen Sie Ihren Mitarbeitern Kleinigkeiten zu verändern, die einen Unterschied für ihr Befinden bringen. Z.B. die Reihenfolge von Abläufen oder die Häufigkeit von Tätigkeiten. Mit wem arbeiten sie wie oft zusammen, mit wem sprechen sie wie lange? Welche Aufgaben würden sie lieber übernehmen, mit wem können Sie etwas tauschen?
Am wirkungsvollsten von allen positiven Emotionen sind die sozialen. Leben Sie vor und vermitteln Sei zu sehen wer Sie unterstützt, wie gut Ihr Team zusammenhält oder wieviel Wertschätzung Ihnen ein Kunde entgegen bringt.
Kümmern Sie sich – mit Freude - um andere. Es wird Oxytozin ausgeschüttet, was Stress ausgleicht und zu Wohlbefinden führt.
Notieren Sie am Ende des Tages drei lustige Ereignisse und Sie werden am nächsten Tag mehr davon wahrnehmen. Dies wäre auch ein Tipp für Team-Meetings. Gemeinsames Lachen baut Stress ab und Kreativität auf.
Machen Sie anderen öfter „das Geschenk der Zeit“, indem Sie einem Mitarbeiter fünf Minuten lang Ihre hundertprozentige Aufmerksamkeit schenken oder aktiv positiv auf einen Menschen reagieren.
Autorenprofil: Diplom-Psychologin Dr. Ilona Bürgel zählt zu den führenden Vertretern der Positiven Psychologie im deutschsprachigen Raum. Wie ein roter Faden zieht sich die Einladung zu einem Perspektivwechsel durch ihre Arbeit – weg von der Fixierung auf äußere Bedingungen in unserer sich ständig ändernden Welt, hin zum guten Umgang mit sich selbst. Die gefragte Referentin und Buchautorin zeigt Ihnen ganz praktische Wege, wie es auf Dauer möglich ist, Leistung und Wohlbefinden miteinander zu verbinden. Nach 15 Jahren in Führungspositionen der freien Wirtschaft ist sie heute erfolgreiche Referentin, Beraterin, Autorin und Kolumnistin. Sie wurde vom Ministerium für Wirtschaft und Energie als Vorbildunternehmerin ausgezeichnet. Dr. Ilona Bürgel liebt Schokolade und Musik. www.ilonabuergel.de