Eindrucksvoll konnte man bei dem BBC Bericht Castaway 2000 (eine Art „Big Brother Überlebenstraining" mit wissenschaftlicher Begleitung) mit ansehen, wie natürliche Hierarchien funktionieren. Bei dieser Reality Show wurden 36 Männer und Frauen auf einer einsamen Insel vor Schottland ausgesetzt. Schnell bildete sich eine übliche Hierarchiestruktur: Der Anwalt, der Manager und der Arzt stritten um die Leitung -- nach einigen Machtkämpfen stand die Führungsriege. Je schwerer jedoch der Alltag und die Aufgaben wurden, desto stärker veränderte sich das Bild --bis schließlich alle einem Mann folgten: Ben Fogle, 26 Jahre und Photopraktikant aus London. Warum? Weil er es schaffte die Leute zu motivieren und zu fördern. Weil er ihnen zuhörte und half und weil er sie in ihrer Autonomie unterstützte. So gewann er den Respekt als Führungspersönlichkeit.
Worin liegt der praktische Nutzen, wenn man nicht gerade versucht Fische zu fangen und ein Feuer zu entfachen? Nun, nur weil eine Führungspersönlichkeit mit formeller Macht ausgestattet ist, so muss ihr noch niemand folgen. Ein Problem, dessen sich beispielsweise die NASA bewusst geworden ist und deshalb ihre Missionskommandeure nach informellem Ansehen und nicht nach dem formellen Rang aussucht. Tausende Kilometer von der Erde entfernt wird bei einem lebensbedrohlichen Zwischenfall keine übliche Sanktionsmaßnahme helfen, den Befehlen des Kommandeurs zu folgen. In einem Krisenfall muss die Zusammenarbeit von Kommandanten und Untergebenen funktionieren, ohne dabei auf die formalen Ränge zu verweisen. Ein Problem, mit dem sich auch Unternehmen, beispielsweise bei schwierigen Changemanagementprozessen oder Krisensituationen, befassen müssen.
Unsere Studien zeigen deutlich, welches Gewicht der Respekt für eine Führungskraft auf dessen Einflussmöglichkeit hat. Mitarbeiter folgen dieser Person leichter, die Identifikation mit der Führungskraft steigt, das Vertrauensverhältnis zur Firma und die Motivation ebenfalls. Auch ein Sinken der Kündigungsrate lässt sich zeigen. Alles Erfolgsfaktoren die nicht nur in stürmischen Zeiten von enormer Bedeutung für ein Unternehmen sind.
Doch eine respektierte Führungskraft ist es nicht allein, die den Erfolg ausmacht. Mitarbeiter wollen das Gefühl haben sowohl in ihrer Person, als auch in ihrer Leistung respektiert zu werden. Verantwortlich sind hierfür vor allem das Erleben von Selbstbestimmung, Kompetenz und Verbundenheit. Respektvolle Führung bedeutet, den Mitarbeitern Entscheidungsfreiheit zu geben, ihnen aber im Bedarfsfall stets zur Seite zu stehen und sie nicht allein zu lassen. Durch diese Selbstbestimmung wachsen die Mitarbeiter über sich hinaus und entfalten ihr volles Potential.
Auch hierbei geht es aber nicht um reines „Gutmenschentum", sondern um eine bedeutende wirtschaftliche Größe, denn die Auswirkungen von respektvoller Führung sind in harten Zahlen ablesbar: Dem Krankenstand, der Fluktuationsrate und vor allem der Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter. Hier zeigen unsere Studien deutlich, dass das Bedürfnis respektvoll geführt zu werden einen stärkeren Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit hat, als beispielsweise die Entlohnung oder Karrierechancen. Auch lassen Mitarbeiter, die sich respektvoll behandelt fühlen, leichter den Einfluss von ihrer Führungskraft zu, als andere. Führungskräfte tun also gut daran, diesen Gedanken aufzunehmen und ernst zu nehmen.
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