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Interview: Künstliche Intelligenz im Personalwesen. Wo stehen wir, Herr Dennes?

Geschrieben von CareerBuilder Germany | 01 Februar 2022

Maschinen sichten Datenbanken, durchforsten Lebensläufe und kommunizieren mit Bewerbern. Wie verändert Künstliche Intelligenz das Personalwesen? Ein Interview mit Ralph Dennes, Managing Director DACH bei Textkernel.

Herr Dennes, Textkernel ist der internationale Marktführer im Bereich von künstlicher Intelligenz, Machine Learning und semantischen Technologien in den Bereichen HR und Recruitment. Als Managing Director müssen Sie es wissen: Sind Roboter die besseren Personaler?

Nein, sind sie nicht. Aber sie sind effizienter und obendrein objektiv. Ein Computer arbeitet um ein Vielfaches schneller als der Mensch – und das rund um die Uhr. Er analysiert Daten absolut neutral und interpretiert sie nicht. Mit diesen Eigenschaften sind Roboter perfekte „Zuarbeiter“ gerade bei einfachen, wiederkehrenden Aufgaben wie dem Screening, Erfassen, Sortieren und Selektieren von Daten. Hier kann künstliche Intelligenz hervorragend unterstützen, aber keinesfalls den Personaler ersetzen, der nach wie vor alle relevanten Entscheidungen trifft.

Künstliche Intelligenz ist sozusagen „state of the art“. Doch nicht überall, wo KI draufsteht, ist auch KI drin? Wie definieren Sie den Begriff?

Das ist gar nicht so leicht – zumindest wenn man korrekt und dennoch für die Allgemeinheit verständlich bleiben will. Künstliche Intelligenz soll die menschliche Intelligenz simulieren mit dem Ziel, der Maschine menschenähnliches (Lern)Verhalten beizubringen. Dabei unterscheidet man zwei primäre Anwendungsfelder: das sogenannte Machine Learning und das Deep Learning. Beim Machine Learning sagt der Mensch dem Computer mithilfe von bestimmten Algorithmen, was er in Situation x oder y tun soll. Die Spracherkennung ist hierfür ein gutes Beispiel. Beim Deep Learning wiederum lernt der Computer selbst und passt sein „Verhalten“ den Situationen an. Hier sind wir aber noch weit entfernt von der Möglichkeit, dass die Maschine eigenständig interpretiert und Konsequenzen aus ihrem Verhalten zieht.

Wie sieht es konkret im Personalwesen aus? Ist KI hier noch Zukunftsmusik oder bereits Arbeitsalltag?

Tatsächlich nutzen HR-Verantwortliche und Personaldienstleister bereits künstliche Intelligenz im Arbeitsalltag. Zum Beispiel beim CV-Parsing, also der automatischen Texterkennung in Lebensläufen. Dabei werden nicht nur Textbausteine gescannt und Keywords gefiltert. Der Computer stellt auch einen Kontext her und kann so die Angaben klassifizieren. Er erkennt aus dem Zusammenhang Sprachkenntnisse ebenso wie Softskills oder fachliche Kompetenzen. Das macht die Maschine in Sekundenschnelle und mit beliebig vielen Dokumenten gleichzeitig, inklusive tabellarischer Aufbereitung. Die Zeitersparnis für den Menschen ist dadurch enorm.

Ein anderes Beispiel ist die Semantische Suchtechnologie. Die kennt jeder, der schon einmal gegoogelt hat. Der Computer findet nicht nur das eingegebene Wort, also eine konkrete Kombination von Buchstaben, sondern bezieht intelligent auch Synonyme und „related words“ in die Suche mit ein und findet dann neben dem Begriff „Projektmanager“ eben auch „project manager“ oder „Head of Project Management“ usw.  Zu finden, was ich suche, nicht was ich eingebe, ist das Ziel der Semantischen Suchtechnologie. Für Recruiter hat das den Vorteil, dass sie mit nur einem Suchauftrag gleichzeitig in mehreren Datenbanken und sozialen Netzwerken suchen und jedes passende Profil in wenigen Sekunden in die eigene Datenbank integrieren können.

Objektivität und Bauchgefühl – beides zusammen zeichnet einen guten Personaler aus. Wie kann KI da mithalten?

In Sachen Objektivität schlägt die Maschine den Menschen, denn sie wertet nicht, hat weder Vorbehalte noch Vorlieben. Der Computer analysiert die gegebenen Fakten vollkommen wertneutral. Aber er ist unzulänglich, wenn es zum Beispiel um den Cultural oder Personal Fit des Bewerbers geht. Hier hat der Mensch die Nase vorn. Es geht ja darum, in persönlichen Gesprächen zu erkennen, ob die „Chemie“ stimmt, ob der nötige „Teamspirit“ vorhanden ist. Das soll, darf und muss der Mensch leisten. Ich bin davon überzeugt, dass das persönliche Gespräch auch künftig nicht adäquat durch KI zu ersetzen ist.

Eine positive Candidate Experience ist wichtig für den Recruiting-Erfolg. Doch Bewerber sind skeptisch gegenüber KI-Technologien. Wie lässt sich ihre Akzeptanz erhöhen?

Das Problem ist, dass die Technologie meist dazu eingesetzt wird, Personalern das Leben zu erleichtern. Noch immer wird die Personalarbeit primär als Dienstleistung an der Unternehmung verstanden mit dem Ziel, mit weniger Ressourcen mehr zu erreichen. Allein daran orientiert sich auch der Einsatz neuer Technologien. Die Relevanz für den Bewerber ist dabei zweitrangig. Wenn der Kandidat eine hochkomplizierte und nervtötende Registrierung absolvieren muss, bleibt die Candidate Experience negativ. Personalarbeit ist aber in erster Linie Vertriebsarbeit und KI-Technologie muss mit dem Ziel eingesetzt werden, die besten Bewerber für das eigene Unternehmen zu begeistern. Erst wenn die Relevanz von KI für den Bewerber steigt, erhöht sich auch dessen Akzeptanz.

Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Wie wird sich der Arbeitsalltag eines Personalers dank KI in den kommenden Jahren verändern?

Ich denke das Profilbild des Personalers als Verwalter wird sich grundlegend wandeln. Er wird eine Vertriebs- und Marketingrolle annehmen (müssen), in der er den Mehrwert des Unternehmens verkauft – sowohl intern an die eigenen Mitarbeiter als auch extern an potenzielle Kandidaten und Bewerber. Dank intelligenter Technologien ist er schon heute weit weniger durch administrative Tätigkeiten gebunden und kann sich mehr mit seinen „Kunden“ befassen. Eine zwingende Notwendigkeit, denn auch deren Verständnis von Arbeit verändert sich. Statt zehn Jahre lang den gleichen, sicheren Job zu machen, suchen sich junge Arbeitnehmer lieber Projekte mit kürzeren Intervallen, um so möglichst viele verschiedene Erfahrungen zu sammeln und ihren Skill-Set zu erweitern. Damit steigt für den Personaler der Aufwand an persönlicher Betreuung.

 

 

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