Sie verzichten auf mehr Gehalt für mehr Zufriedenheit, wollen gestalten statt zu führen und stellen grundsätzlich alles in Frage. Die „Generation Y“ ist eine Generation der Karriereverweigerer und zwingt die Unternehmen umzudenken. Wie macht man aus Karriereverweigerern die neue Führungselite Deutschlands?
Stefan Lang, 28 Jahre jung mit Bachelor in Wirtschaftsrecht und Master mit Schwerpunkt Steuerrecht, stand eine vielversprechende Karriere bei der Unternehmensberatung Ernst & Young in Aussicht. Bereits zwei Jahre arbeitete der Wirtschaftsjurist in der Grundsatzabteilung des Unternehmens, als er seinen Job an den Nagel hing und stattdessen als kaufmännischer Leiter bei Itzebitz, einem Kita-Betreiber in Großraum Stuttgart, einstieg. Weniger Gehalt bei gleicher Arbeitszeit. Wer macht denn so etwas?
Die Generation Y macht so etwas und zwar immer häufiger. Damit beschert sie deutschen Unternehmen ernsthaft Kopfzerbrechen. Nicht Geld, Karriere und Macht treiben sie an, sondern Selbstbestimmung, Spaß an der Arbeit und Zeit zu haben für wichtigere Dinge. Während die Karriereleiter im Schuppen liegen bleibt, suchen sie den Sinn ihrer Arbeit und sind begeistert, wenn sie durch eigene Kraft etwas bewegen können – gleich nachdem sie die Kids in die Schule gebracht haben. In einer aktuellen Kienbaum-Umfrage erreichen „Family & Friends“ mit 71 Prozent Platz eins der wichtigsten Werte, gefolgt von „Selbstverwirklichung“ (48%). Dann erst kommen „Erfolg und Karriere“ (43 Prozent). Personalverantwortung schreckt sie eher ab. Zu viel Koordination, zu viel interne Politik, zu viel vergeudete Zeit.
„Generation Y“ wird englisch ausgesprochen. Y als Homonym zu „Why“. Bezeichnend, da diese jungen Berufseinsteiger – geboren zwischen 1980 und 1990 - alles in Frage und die Berufswelt damit auf den Kopf stellen. Warum muss ich jeden Tag 8 Stunden arbeiten, wenn ich meine Arbeit an manchen Tagen in 6,5 Stunden erledigt habe? Warum soll ich im Büro sitzen, wenn ich viele Dinge effektiver von zu Hause aus erledigen kann? Warum darf ich während der Arbeitszeit keine privaten E-Mails schreiben, wenn ich auf die geschäftlichen auch am Wochenende antworten soll? Und vor allem: Warum soll ich Führungsanspruch akzeptieren, nur weil dieser auf der Visitenkarten festgehalten ist?
Diese Generation ist es von klein auf gewohnt, Autoritäten in Frage zu stellen. Sie wurde verwöhnt und mit Aufmerksamkeit überhäuft. Vom Babyschwimmen über Musikschule, Sportverein, Ski-, Surf- oder Segelkurs bis hin zu Bildungsreisen ins Ausland: die beruflich meist erfolgreichen Eltern setzten alles daran, ihren Sprösslingen jede Option für die Zukunft zu wahren. Hauptsache, diese ist ebenfalls von Erfolg gekrönt. Hochmotiviert und mit besten Abschlussnoten treffen diese selbstbewussten Ypsiloner im ersten Job auf ihre Vorvorgänger, die Arbeit als etwas definieren, wo man hingeht und macht, was einem gesagt wird. „Warum?“, fragt die Generation Y und die Vorvorgänger denken zum ersten Mal über eine Antwort nach.
Dabei sind die jungen Wilden keinesfalls faul oder bequem. Sie wissen, was sie können und sind bereit, hart zu arbeiten. Aber nur wenn sie den Sinn in ihrer Arbeit sehen. Sie wollen gestalten und eigene Ideen mit dem konkreten Ziel umsetzen, etwas zu verbessern. Statt einer traditionellen Karriere mit peux à peux mehr Führungsverantwortung, möchten sie auf Augenhöhe wahrgenommen werden und sind bestrebt, ihr Fachwissen zu vertiefen. Im Zweifelsfall lieber Experte als Personalchef.
Firmen sind jetzt gezwungen, sich auf die Karriereverweigerer einstellen. Zu groß wird die Nachwuchslücke sein, wenn 2020 die letzten aus den geburtenstarken Baby-Boom-Jahrgängen in Rente gehen. Die Konzerne, die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland brauchen dann trotzdem fähige Führungskräfte. Bis dahin muss es also gelingen, Führung und Karriere auch für die Generation Y attraktiv zu machen – mit neuen Strukturen und neuen Werten.
Ypsiloner lehnen starre Hierarchien ab. Dienst nach Vorschrift ist nichts für sie. Sie fordern den Austausch mit Erfahrenen, wollen Wissen sammeln und Wissen teilen. Und sie fordern konstruktive Kritik, um sich verbessern zu können. Respekt zollen sie nicht einem Titel oder Status, sondern Kollegen und Vorgesetzten, die ihre Werte nicht für den Job verkaufen. Flachere Hierarchien und ein konstruktives, offenes Miteinander, das ohne Kontrollzwang auskommt, wird sie weit mehr motivieren, als die Aussicht, einmal (einsam) an der Spitze des Unternehmens stehen zu können.
Die Familie ist der Generation Y wichtiger als alles andere. Unternehmen müssen Rahmenbedingungen schaffen, damit Mitarbeiter ihre Kinder und Angehörige in ihrem jeweiligen Lebensabschnitt begleiten können, anstatt nur vom Büro aus zuzusehen. Das bedeutet nicht, dass diese Generation weniger arbeiten und mehr Freizeit haben will. Aber sie möchte selbstbestimmt, nicht nach Stechuhr, arbeiten und erwartet von ihrem Arbeitgeber mehr Vertrauen und weniger Reglementierungen.
Arbeit soll Spaß machen, schließlich widmet man ihr den Großteil des eigenen Lebens. Deshalb scheut die Generation Y noch lange nicht die Anstrengung oder Herausforderung. Im Gegenteil: Viele sind bereit, noch härter zu arbeiten als ihre Eltern. Vorausgesetzt der Arbeitgeber gibt ihnen kreativen Freiraum, mehr Eigenverantwortung und die Möglichkeit, eigene Ideen zu verwirklichen. Verschiedene Ansätze des Ideen- oder Innovationsmanagements haben sich bereits in vielen Firmen bewährt und geben Mitarbeitern die Möglichkeit, die Entwicklung des Unternehmens aktiv mitzugestalten.
Junge Berufseinsteiger wissen, dass sie womöglich bis zu ihrem 70. Lebensjahr arbeiten werden. Alle anderen Träume bis dahin verschieben zu müssen, akzeptieren sie nicht. Sie wollen die Welt sehen - und zwar nicht erst mit Gehhilfen. Verschiedene Formen von Sabbaticals oder flexible Überstundenmodelle (Ansparmodelle) sind daher mögliche Ansätze, um jungen Nachwuchskräfte zu halten und zu motivieren.
Die Generation Y geht von vorn herein davon aus, den Arbeitgeber mehrmals im Berufsleben zu wechseln und sieht das als Chance, sich weiterzuentwickeln. Deshalb studieren viele neben dem Job oder bilden sich auf andere Weise weiter. Unternehmen, die diesen Wissensdrang mit den entsprechenden Angeboten unterstützen und den Nachwuchskräften neue Perspektiven bieten können – zum Beispiel alternative Karrierewege wie eine Expertenlaufbahn statt der üblichen Führungslaufbahn – werden in der Lage sein, die talentierten jungen Wilden länger zu halten, als die Konkurrenz.
Quellen: Spiegel Online vom 27. August 2012 „Aufstiegsverweigerer“, Handelsblatt.de vom 24. Februar 2012, „Generation Y erobert den Arbeitsmarkt“