Eigentlich sollten Sie sich ja freuen: Ihr Abteilungsleiter hat Ihnen ein Projekt übertragen, mit dem Sie endlich zeigen können, was in Ihnen steckt. Allerdings "ziehen" Ihre Kollegen nicht so recht mit, einige stehen vielleicht sogar auf der Bremse. Was tun? Ob Sie jetzt ein Team leiten oder "nur" Ihre Kollegen bewegen wollen, an einem gemeinsamen Projekt oder einem kleineren Vorhaben mitzuarbeiten - der Schlüssel heißt: Motivieren.
Andere zu motivieren fällt uns aber oft sehr schwer. Der Autor Reinhard Sprenger vertritt in seinem Buch "Mythos Motivation" die provokante These, man könne andere überhaupt nicht motivieren. Allein schon der Versuch könne dazu führen, andere zu demotivieren. Ganz so weit würde ich nicht gehen, allerdings hat Sprenger insofern recht, als es erheblich leichter ist, andere zu demotivieren, als sie zu motivieren. Und natürlich muss der Antrieb, sein Bestes für ein Projekt zu geben, aus jedem einzelnen selbst kommen.
Aber es gibt eine Reihe von Faktoren, mit denen Sie diese Bereitschaft bei Mitarbeitern und Kollegen positiv beeinflussen können.
Wer andere motivieren will, muss bei sich selbst beginnen. Es kostet nämlich viel Kraft und Zeit, andere zu motivieren. Das heißt, dass Sie selbst mehr als alle anderen den Drang verspüren müssen, das gemeinsame Ziel zu erreichen. Wenn Ihre eigene Motivation zu schnell nachlässt -- wie wollen Sie dann die anderen mitziehen? Sie sind als Ansprechpartner für die anderen da, müssen möglicherweise bei Konflikten vermitteln.
Fragen Sie sich also, ob Sie dazu überhaupt bereit sind, ob Sie sich die Aufgabe wirklich zutrauen und was Sie brauchen, um alles leisten zu können, was auf Sie zukommt. Wichtig ist außerdem Ihre Einstellung den anderen gegenüber. Wer grundsätzlich misstrauisch ist und glaubt, dass alle anderen faul sind und kein Vertrauen verdienen, wird sich schwer tun, die anderen zu begeistern. Außerdem wird er ihnen kaum den Freiraum lassen und die Verantwortung geben, die sie brauchen, um ihre Aufgaben im Projekt erfüllen zu können. Das funktioniert nur, wenn es Ihnen gelingt, Ihren Kollegen gegenüber offen zu sein und davon auszugehen, dass sie ihr Bestes geben werden (das hat nichts mit blindem Vertrauen ohne Kontrolle zu tun).
* Was halten Sie von den einzelnen Personen, die am Projekt mitarbeiten sollen? Wie sieht Ihre Wertschätzung jeder einzelnen Person gegenüber aus? * Wie offen sind Sie gegenüber den Vorschlägen anderer? Wie reagieren Sie auf wirklich gute Vorschläge, wie auf ausgefallene Ideen? * Wie gut können Sie die Leistungen anderer anerkennen? Wie gut könnten Sie damit umgehen, wenn ein anderer "besser" wäre als Sie? * Wie hoch ist Ihr Anspruch, wie hoch sind Ihre Forderungen an andere? Wie realistisch sind diese Forderungen?
Wenn Sie feststellen, dass Sie sich schwer tun mit der Offenheit anderen gegenüber: Daran können Sie arbeiten. Zunächst einmal sollten Sie versuchen, Ihren Kollegen gegenüber eine positive Einstellung zu entwickeln. Setzen Sie sich konkrete Ziele, welche Einstellungen Sie ändern wollen. Überprüfen Sie kontinuierlich Ihre eigenen Einstellungen. Und bitten Sie Ihre Mitarbeiter um Feedback (allein das ist schon ein Riesenschritt hin zu mehr Offenheit). Fragen Sie ganz konkret danach, was Sie besser machen können und ob bzw. wie Sie andere vielleicht demotivieren. Bedanken Sie sich für alle Vorschläge und zeigen Sie, dass Sie sie ernst nehmen. Wichtig ist, sich immer wieder vor Augen zu halten, dass die Motivation anderer immer bei einem selbst beginnt.
Ziele und Visionen haben sehr starke Zugkraft. Wer sich ernsthaft ein konkret benanntes Ziel setzt, wird in der Regel viel dafür tun, es auch zu erreichen. Problematisch ist nur, dass in vielen Unternehmen die Ziele von einer Gruppe von Führungskräften erarbeitet und dann den übrigen Mitarbeitern präsentiert, man könnte auch sagen, vorgesetzt, wird. Da muss man sich nicht wundern, wenn die Mitarbeiter die Ziele nicht als ihre eigenen betrachten. Damit Ihre Mitstreiter bestimmte Ziele mit aller Energie verfolgen, müssen Sie sie schon an der Entstehung der Ziele und Visionen beteiligen. Lassen Sie sie mitreden und bei der Ausformulierung der Ziele mitarbeiten. Fragen Sie nicht nur nach Ideen und Vorschlägen, sondern hören Sie auch genau hin, wenn Ängste und Bedenken angemeldet werden. Visionen und Ziele können ihre magnetische Kraft nur dann entwickeln, wenn alle Beteiligten sich in ihnen wiederfinden.
Geben Sie deshalb Ihren Kollegen das Gefühl, bei der Festlegung der Ziele beteiligt zu sein. Darüber hinaus müssen die Ziele klar und konkret formuliert sein. Nur so weiß jeder einzelne, worauf er hinarbeiten will. Außerdem ermöglichen nur konkrete Ziele eine Überprüfung der Arbeit. Neben dem großen Ziel am Ende des Projekts sollten auch die mittel- und kurzfristigen Ziele ausformuliert sein; auch der Zusammenhang der einzelnen Schritte sollte jedem klar sein. Alle Beteiligten sollten regelmäßig zusammenkommen und über den aktuellen Stand der Dinge sprechen. Dabei sollen die Erfahrungen ausgetauscht werden, außerdem muss Platz für alle Fragen, Bedenken, aber auch für Zweifel sein. Und natürlich sollten neue Ideen oder Möglichkeiten diskutiert und -- sofern sinnvoll -- in die Tat umgesetzt werden. Ändern sich dadurch einzelne Teilziele, muss dies klar formuliert und allen kommuniziert werden. Für all diese Aufgaben ist, wenn im Team nichts anderes vereinbart wird, der Projektleiter verantwortlich. Der kann natürlich Teilaufgaben an geeignete Mitarbeiter delegieren.
Zum Motivieren der Mitarbeiter gehört noch mehr als die Beteiligung an der Definition des Zieles.
Franz Grieser Franz Grieser ist freiberuflicher Autor, Kommunikationstrainer und Personal Coach (www.grieser-coaching.de). Er lebt und arbeitet in München.
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