Die Corona-Pandemie stellt die Gesellschaft vor immer größere Herausforderungen. Ihre Auswirkungen in Bezug auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt sind noch längst nicht absehbar. „Arbeitgeber stehen vor einem unglaublichen Balance-Akt“, weiß Fachanwältin für Arbeitsrecht Katharina Schumann aus der Münchner Kanzlei Lehner und Kollegen. „Einerseits haben sie die Pflicht, das Gesundheitsrisiko für ihre Mitarbeiter zu minimieren, andererseits müssen sie Arbeitsplätze langfristig sichern und das Unternehmen mit strategischer Umsicht durch die Krise steuern.“ Eine Herkules-Aufgabe. Die Arbeitsrechtexpertin berät Unternehmen und beantwortet derzeit Fragen zur Corona-Krise im Akkord. Für CareerBuilder fasst sie die wichtigsten Informationen zusammen:
„Arbeitgeber haben gegenüber ihren Arbeitnehmern eine Fürsorgepflicht. Sie müssen also alles dafür tun, dass Arbeitnehmer ihre Arbeit gefahrlos erledigen können (§ 618 BGB). In Bezug auf das Coronavirus ist bisher noch nichts konkret geregelt worden. Zu empfehlen ist, die Mitarbeiter über Hygienemaßnahmen zu informieren und entsprechende Mittel bereit zu stellen, nicht erforderliche Meetings und Reisen zu reduzieren bzw. abzusagen (insbesondere in Risikogebiete) und auf Telefon- und/oder Videokonferenzen zurückzugreifen.“
„Wenn eine Ansteckungsgefahr, z.B. aufgrund des Kontakts mit dem Infizierten Kollegen im Betrieb, besteht, ist eine Informationspflicht anzunehmen, damit sich die betroffenen Arbeitnehmer schützen können. Der Name des erkrankten Mitarbeiters darf jedoch schon aus Datenschutzgründen nicht offenbart werden, da dies nicht erforderlich ist. Arbeitnehmer, bei denen ein Kontakt mit dem Infizierten sicher ausgeschlossen werden kann, müssen nicht zwingend über den Infektionsfall unterrichtet werden.“
„Der Arbeitgeber trägt das sog. Wirtschaftsrisiko - er bleibt also grundsätzlich weiter zur Entgeltzahlung verpflichtet, wenn arbeitsfähige und arbeitsbereite Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen nicht beschäftigt werden können (sog. Betriebsrisikolehre, § 615 Satz 3 BGB). Das gilt, wenn es Corona bedingt zu erheblichen Personalausfällen oder Versorgungsengpässen käme, in deren Folge der Arbeitgeber die Betriebstätigkeit vorübergehend einstellen müsste, aber auch für behördliche Anordnungen, die zu einem Arbeitsausfall führen. Der Vergütungsanspruch bleibt also in diesen Fällen bestehen.“
„Bei einem erheblichen Arbeitsausfall für mindestens ein Drittel der Beschäftigten können Arbeitgeber Kurzarbeitergeld beantragen. Nach einem neuen Gesetz ist es ab April sogar ausreichend, wenn zehn Prozent der Mitarbeiter vom Arbeitsausfall betroffen sind. Zudem sollen den Arbeitgebern 100 Prozent der Sozialversicherungsbeiträge erstattet werden. Um arbeitsrechtlich wirksam eine reduzierte Arbeitszeit oder sogar Kurzarbeit „Null“ einzuführen, muss sich ein entsprechender Anspruch aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder dem Arbeitsvertrag ergeben. Ist das nicht gegeben, kann der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat eine entsprechende Regelung treffen. In Betrieben ohne Betriebsrat muss mit jedem einzelnen Mitarbeiter eine entsprechende Vereinbarung individuell getroffen werden. Der Arbeitsausfall bzw. die Kurzarbeit müssen der örtlich zuständigen Agentur für Arbeit schriftlich angezeigt werden. Dies geht auch online oder per Fax. Ob die Voraussetzungen für die Gewährung des Kurzarbeitergelds vorliegen, prüft die Agentur für Arbeit im Einzelfall.“
„Auszubildenden gegenüber kann daher in der Regel keine Kurzarbeit angeordnet werden. Der Ausbildungsbetrieb ist dazu verpflichtet, alle Mittel auszuschöpfen, um die Ausbildung weiter zu gewährleisten. Erst wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, kann Kurzarbeit auch für Auszubildende in Frage kommen, diese Option ist allerdings restriktiv zu handhaben. Sollte Auszubildenden gegenüber doch Kurzarbeit angeordnet werden müssen, weil gar kein Ausbildungsbetrieb mehr möglich ist, haben die Azubis dennoch Anspruch auf Zahlung der vollen Ausbildungsvergütung für mindestens sechs Wochen. Abweichend von der gesetzlichen Mindestdauer können der Ausbildungs- oder ein Tarifvertrag ggf. längere Fristen vorsehen.“
„Wenn Arbeitnehmer auf Grund des Infektionsschutzgesetzes Tätigkeitsverboten unterliegen oder sich in Quarantäne begeben müssen und deswegen einen Vergütungsausfall erleiden, haben sie einen Anspruch auf Entschädigung. Diesen begleicht zunächst der Arbeitgeber quasi als „Zahlstelle“ für die Dauer des Arbeitsausfalls, längstens aber für sechs Wochen. Die Fälligkeit der Entschädigungsleistung richtet sich dabei nach der Fälligkeit des bisherigen Arbeitsentgelts. Dem Arbeitgeber werden die ausgezahlten Entschädigungsleistungen aber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet. Den Erstattungsantrag muss er innerhalb einer Frist von drei Monaten nach dem Ende der Quarantäne bei der zuständigen Behörde stellen. Diese hat übrigens auf Antrag dem Arbeitgeber einen Vorschuss in der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsbetrages zu gewähren.“
„Wenn ein Unternehmen in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten in Folge des Coronavirus gerät, kann die Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen eine Möglichkeit sein, dem Unternehmen finanziell wieder ein wenig Luft zu verschaffen. Eine Stundung ist möglich, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für das Unternehmen verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sich das Unternehmen aufgrund ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse nur vorübergehend in ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten befindet oder im Falle der sofortigen Einziehung der fälligen Sozialversicherungsabgaben in diese geraten würde. Eine Stundung darf allerdings nicht gewährt werden, wenn die Zahlungsschwierigkeiten nicht nur vorübergehend sind oder eine Überschuldung in absehbarer Zeit offensichtlich nicht abgebaut werden kann. Über den Stundungsantrag entscheidet die Krankenkasse als zuständige Einzugsstelle nach pflichtgemäßem Ermessen.“
„Die Bundesregierung hat zudem steuerliche Erleichterungen beschlossen, um die Liquidität bei Unternehmen zu verbessern. So soll es den Finanzbehörden erleichtert werden, Stundungen von Steuerschulden zu gewähren. Zudem soll bis Ende des Jahres 2020 auf Vollstreckungsmaßnahmen und Säumniszuschläge verzichtet werden, wenn das Unternehmen unmittelbar vom Coronavirus betroffen ist. Außerdem sollen die Voraussetzungen erleichtert werden, um Vorauszahlungen von Steuerpflichtigen anzupassen und ggf. zu senken.“
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