Am Internationalen Tag der Jugend fällt der Blick auf die Situation junger Azubis in Europa unterschiedlich aus: 37.100 Auszubildende fehlten deutschen Unternehmen im vergangenen Jahr – schon wieder Rekord. Gleichzeitig meldet die Bundesrepublik mit 7,4 Prozent die mit Abstand niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in der Europäischen Union. In Spanien hingegen sind mehr als die Hälfte der Jugendlichen (53,5%) ohne berufliche Perspektive. Ähnlich kritisch stellt sich die Situation für junge Berufsanfänger in Griechenland (49,8%), Kroatien (45,5%) und Italien (43,9%) dar.
„Hier Angebot und da Nachfrage“, ruft da der gesunde Unternehmerverstand. Ganz so einfach scheint sich das Problem jedoch nicht lösen zu lassen. Trotz des demografischen Wandels und Fachkräftemangels haben laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung fast 60 Prozent der ausbildenden Betriebe in Deutschland bislang noch nie einen deutschen Azubi mit Migrationshintergrund beschäftigt – unter anderem aus Sorge vor Sprachbarrieren und vor zu großen kulturellen Unterschieden. Die Vorbehalte dürften dieselben sein, wenn es darum geht, ausländischen Auszubildenden eine Lehrstelle anzubieten.
Wirtschaftsexperten warnen indes vor verschenktem Potenzial. Denn Unternehmen profitieren von der hohen Motivation europäischer Auszubildender und können unter ihnen passgenaue Talente finden und formen. Gleichzeitig steigern sie die Vielfalt im Unternehmen und damit auch dessen Innovationskraft. Die Unternehmensberatung McKinsey empfiehlt daher EU-weit Ausbildungsangebote auszubauen, um mehr europäische Arbeitsmarkttransparenz zu schaffen. Neben einer stärkeren Zusammenarbeit der nationalen Arbeitsagenturen müsse auch eine Vergleichbarkeit der Ausbildungsabschlüsse angestrebt werden, denn das fördere die Mobilität und den Austausch auf dem europäischen Arbeitsmarkt.
Derweil gibt es in Deutschland auch Unternehmen, die Nägel mit Köpfen machen und zeigen, wie ausländische Azubis optimal integriert werden. So wurde zum Beispiel die thüringische HBS Software und Automatisierungs GmbH 2013 mit dem Unternehmenspreis für mehr Willkommenskultur des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ausgezeichnet. Das 450 Mitarbeiter starke Handwerksunternehmen ist im ländlichen Raum angesiedelt und deckt seinen wachsenden Fachkräftebedarf auch durch die Rekrutierung von Auszubildenden aus Rumänien, Ungarn und Spanien. Durch ein ganzheitliches Maßnahmenangebot fördert es sowohl die betriebliche als auch die soziale Integration der Mitarbeiter von morgen. Nach erfolgreichem Berufsabschluss werden die jungen Fachkräfte unbefristet übernommen.
„Unser Ziel ist es, unsere internationalen Auszubildenden so willkommen zu heißen, dass sie sich hier sehr wohlfühlen“, sagt Geschäftsführer Danny Schindler auf dem Informationsportal des Kompetenzzentrums zur Fachkräftesicherung (KOFA). Durch gemeinsame Freizeitaktivitäten wie Grillabende oder Fußballturniere werde die Integration in die Belegschaft gefördert. Diese wiederum sensibilisiere man in Gesprächen für die verschiedenen Kulturen und Mentalitäten. In der Lehrwerkstatt arbeiten und lernen alle Azubis gemeinsam – das stärke das Vertrauen und beseitige Vorurteile. Auch Kontakte zu örtlichen Sportvereinen oder Religionskreisen stellt das Unternehmen her, bietet Plätze im betriebseigenen Wohnheim und ein Gemeinschaftsfahrzeug für die Freizeitgestaltung.
Schindler hat erkannt, dass er als Ausbilder nicht nur fachliches Wissen vermittelt, sondern ebenso für die Betreuung, Begleitung und teilweise auch für die Erziehung junger Azubis – egal welcher Herkunft – verantwortlich ist. Die Abgrenzung von beruflichem und privatem Leben ist für Jugendliche in dieser Entwicklungsphase nicht einfach, daher ist ein Mentor, der in allen Belangen ein offenes Ohr für seinen Schützling hat, eine sinnvolle Unterstützung bei der Einarbeitung von Auszubildenden.
Für ein erfolgreiches Onboarding und die rasche Integration ausländischer Azubis empfiehlt das KOFA, generell in drei Handlungsfeldern aktiv zu werden: fachlich, sprachlich und gesellschaftlich. Wichtig sei vor allem eine offene Willkommenskultur, die durch das Management vorgelebt wird. Die Mitarbeiter sollten die Ausbildung ausländischer Jugendlicher als Gewinn verstehen und daran mitarbeiten, dass sie zum Erfolg wird. Durch entsprechende Trainings lässt sich die interkulturelle Kompetenz der Belegschaft fördern.
Für den ersten Tag sind laut KOFA die folgenden Maßnahmen empfehlenswert:
Quellen:
http://www.mckinsey.de/sites/mck_files/files/a4e2e_execsumm_endnotes.pdf
http://www.bmbf.de/de/berufsbildungsbericht.php
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/74795/umfrage/jugendarbeitslosigkeit-in-europa/
http://www.kofa.de/handlungsempfehlungen/fachkraefte-finden/auszubildende-aus-europa
http://www.hbs-elektrobau.de/elektrobau/unternehmen/
https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2015/januar/migrationshintergrund-erschwert-suche-nach-ausbildungsplatz/
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